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Callboys - Die Schönen der Nacht

Callboys - Die Schönen der Nacht

Titel: Callboys - Die Schönen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Hart
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sie noch so jung ist, meinst du?“ Die kalten Kohlensäurebläschen kitzelten mich in der Kehle und verursachten einen Hustenreiz. Kaffee wäre besser gewesen, aber dafür hätten wir sämtliche Treppen hinaufsteigen müssen.
    „Ja.“ Jared sah mich immer noch fragend an. „Und … die Kinder. Ich habe das kleine Mädchen gesehen, als es bei Shelly war, während du noch mit seinem Vater gesprochen hast. Ich bin nach oben gegangen, nachdem ich Mrs. Davis hergebracht hatte, und da war es. Es war ungefähr … vielleicht drei?“
    „Ja, das denke ich auch.“
    „Es macht dir nichts aus“, wiederholte Jared.
    „Es gehört zum Job, Jared. Mein Job ist es, die Sache für ihren Ehemann und die Familie so leicht wie möglich zu machen und dafür zu sorgen, dass alles Nötige für Mrs. Davis veranlasst wird.“
    Er rieb sich die Augen und schüttete sich Sodawasser in den Mund. „Ja. Das weiß ich. Du hast recht. Es ist nur schwierig, manchmal. Nicht wahr?“
    Ich dachte an die Unterhaltung, die ich vor Kurzem mit Dan Stewart geführt hatte. „Es ist traurig, sicher.“
    Jared schüttelte den Kopf. „Nicht nur traurig.“
    „Möchtest du, dass ich sie allein fertig mache?“, fragte ich äußerst großzügig, wie ich fand.
    „Nein. Ich brauche sechs Arbeitsstunden, und es ist ja auch nicht so, dass ich so etwas nie wieder werde sehen müssen.“ Er schaute mich an. „Aber … wie machst du das, Grace? Wie schaffst du es, dir die Sache nicht so nahegehen zu lassen, dass du die Arbeit nicht machen kannst, dir aber doch dein Mitgefühl zu bewahren?“
    „Ich habe gelernt, meine Arbeit am Ende des Tages hinter mir zu lassen“, erklärte ich ihm.
    „Auch wenn du zwei Stunden nach dem Ende des Tages einen Anruf wegen eines neuen Todesfalls bekommst?“, grinste Jared.
    „Selbst dann.“ Ich trank mein Sodawasser aus und warf die Dose in den Eimer für den Recyclingmüll.
    „Und was machst du, damit das funktioniert?“, fragte er auf dem Weg zurück in den Balsamierraum.
    Was machte ich? Ich ging los und bezahlte Männer dafür, meine Fantasien wahr zu machen. „Ich lese viel.“
    Jared schnaubte leise. „Vielleicht sollte ich anfangen zu stricken.“
    „Das könntest du tun.“ Wir arbeiteten gemeinsam ein wenig weiter. Er brauchte nicht mehr viel Anleitung. „Aus dir wird ein richtig guter Bestatter, Jared. Habe ich dir das schon mal gesagt?“
    Er hob den Kopf. „Danke.“
    Wir beendeten unsere Arbeit ohne weitere philosophische Diskussionen, aber als Jared an diesem Abend ging, dachte ich noch einmal über das nach, was ich gesagt hatte. Meine turbulente Beziehung mit Ben hatte mit spektakulären Abscheulichkeiten geendet. Er wollte heiraten. Ich nicht, und zwar nicht, weil ich ihn nicht liebte. Es war sehr leicht gewesen, Ben zu lieben. Tatsächlich war ich, ebenso wie er, davon ausgegangen, dass wir eines Tages heiraten und Kinder haben würden. Die Sache mit der Familiengründung eben.
    Ich glaubte an die Liebe. Glaubte, dass Ehen funktionierten. Meine Eltern waren nach 43 Jahren immer noch glücklich verheiratet, und bei meiner Arbeit begegneten mir viele Familien, die durch die Stärke ihrer Zuneigung miteinander verbunden waren.
    Mein ganzes Leben lang war der Tod allgegenwärtig gewesen, aber er war mir bis zu der Zeit, als ich mein Praktikum in der Firma meines Vaters begann, niemals wirklich nahe gekommen.
    Ich plante Gottesdienste und sprach mit Priestern, Pastoren und Rabbis, um den trauernden Familien, die zu uns kamen, zu helfen, ihre geliebten Toten auf die Art und Weise zur letzten Ruhe zu betten, die sie für richtig hielten. Die Begräbnisse waren nicht für die Toten, sondern schließlich und endlich für die Lebenden.
    Ich erlebte Diskussionen zwischen zerstrittenen Familienmitgliedern, die sich nicht einigen konnten, wie religiös der Gottesdienst sein sollte, und half bei den Vorbereitungen von bekenntnislosen Andachten.
    Ich hörte die Gebete unzähliger Trauernder, und obwohl die Art, auf die sie beteten, unterschiedlich sein mochte, ebenso wie die Gottheit, der sie den Toten anempfahlen, in einer Hinsicht unterschieden sie sich nicht. Sie alle wollten daran glauben, dass der geliebte Tote nun an einem Ort außerhalb dieser Welt war.
    Doch das war falsch. Die Erde fiel auf genau die gleiche Weise auf jeden Sarg, egal, ob es eine schmucklose Kiste aus Kiefernholz war oder ein Sarg für mehrere Tausend Dollar. Der Körper darin würde letztendlich zu Staub zerfallen, und selbst die

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