Callgirl
Lippen hingen, als ob sie auf die Pointe eines Witzes warteten. Ich sagte, dass ich schon einmal eine Reise nach Italien gemacht hätte. Stefano sagte etwas auf Italienisch, woraufhin seinen Kumpeln vor Lachen die Luft wegblieb.
Wir nippten noch eine Weile an unserem Wein, und dann sagte Stefano etwas Längeres und Würdevolleres zu den Männern an der Bar und schob mich sanft von meinem Barhocker. Er führte mich über eine Treppe nach unten, wo er direkt neben dem Weinkeller einen Raum hatte, der (wie kann ich das am besten ausdrücken?) für seine Bedürfnisse ausgestattet war.
Er erklärte mir die Situation ohne jede Verlegenheit: Manchmal umfassten diese Bedürfnisse Frauen, manchmal ein oder zwei spezielle Kartenspiele. Manchmal übernachteten Bekannte hier. Der Raum diente auch als Zufluchtsort, wenn seine Frau Giannetta mal wieder die Nase von ihm voll hatte und ihn aus dem Haus warf, was offenbar mit einer gewissen Regelmäßigkeit zu geschehen pflegte.
Auf alle Fälle enthielt der Raum einen Tisch und einige Stühle, ein Sofa und zwei oder drei Sessel sowie ein kleines Einzelbett in einer Ecke.
Stefano schloss die Tür sorgfältig hinter uns ab. Wir setzten
uns auf das schmale Bett und machten ein paar Minuten rum. Es war lustig. Die abgestandene Luft und seine eifrigen Hände erinnerten mich an lange zurückliegende Sommerlageraufenthalte. Vage Bilder tauchten vor mir auf: ein Bootshaus voll mit Gerümpel vom Strand, halb aufgeblasene Schwimmringe, verlassene Badmintonschläger und mittendrin zwei leidenschaftliche Teenager, die sich an einem heißen Sommerabend an diesen abgeschiedenen Ort zurückgezogen hatten. Seine Lippen waren rau, und ich war wieder das junge Mädchen, das einen halbwüchsigen Jungen küsst – einen Jungen, der noch nicht genau weiß, was er selber will, wie stark er ist und was von ihm erwartet wird.
Schließlich rückte Stefano von mir ab und gab mir mit einer Geste zu verstehen, dass ich aufstehen sollte. »Zieh dich aus«, drängte er. Als ich mir die Jacke von den Schultern streifte, schnallte er seinen Gürtel auf, öffnete den Hosenschlitz und zog sein Rohr heraus.
Als ich bei meinem neuen Mieder angekommen war, hatte Stefano das Ziel sozusagen schon erreicht: abgespritzt und aufgewischt.
Später erfuhr ich, dass sich Stefanos Sexualität im Großen und Ganzen immer in dieser Form abspielte. Aber damals reagierte ich etwas beunruhigt. Ich war ja schließlich zum Arbeiten da, oder? Wie sich die Sache darstellte, hatte ich noch nicht besonders viel getan, war noch nicht einmal nackt.
Nach diesem Abend sah ich Stefano ziemlich häufig, und unsere Treffen liefen immer nach demselben Schema ab. Es blieb jedes Mal offen, wer von uns beiden als Erster fertig sein würde – ich mit dem Ausziehen oder Stefano mit seinem Orgasmus. Zum echten Körperkontakt kam es nie. Das stand nicht auf dem Programm.
Stefano hatte allerdings einen Ruf zu wahren. Schließlich wussten seine Freunde in der Bar, dass er sich mit einer Lady im Keller aufhielt. Also zog ich mich wieder an, während er sich an
dem kleinen Becken in der anderen Ecke des Zimmers wusch, als es auf wundersame Weise genau im richtigen Moment leise an die Tür klopfte und einer der Tellerwäscher (nie ein Kellner) ein Tablett mit Essen und Wein aus dem Restaurant brachte.
Wir setzten uns an den Tisch und tranken Chianti oder gekühlten Valpolicella und aßen Scaloppini. Oder irgendeinen großartigen Meeresfrüchteeintopf. Oder (nachdem ich darum gebeten hatte) die himmlische Suppe aus den fünf Pilzsorten. Manchmal unterhielten wir uns, sehr oft saßen wir auch einfach still zusammen.
Nachdem eine angemessene Zeit (wenn auch keine volle Stunde) verstrichen war, stand Stefano auf, küsste mir die Hand, während er mir das Geld in die andere drückte, und wir gingen wieder nach oben.
An der Bar wartete eine Tragetasche voller Delikatessen zum Mitnehmen auf mich. Stefano überreichte mir das Geschenk mit einer schwungvollen Geste, und die Männer an der Bar applaudierten. Und das war’s.
Später hörte ich noch eine andere Geschichte über ihn: Wenn das Mädel, das zu Stefano kam, einen Fahrer hatte, fand er heraus, wo der arme Kerl warten musste, und ließ ihm entweder auf Kosten des Hauses ein Dinner im Restaurant servieren oder schickte noch einige Extrapakete von seinen unglaublichen Köstlichkeiten zum Auto. Er war großzügig, entgegenkommend und liebenswürdig.
Nachdem ich an diesem Abend wieder zu Hause war,
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