Callgirl
anziehen?«
»Hmm«, Jake hatte offenkundig alle Zeit der Welt. Warum auch nicht. Es war ja meine Telefonrechnung. »Was ziehst du gern an?«
Ausgebeulte Jogginghosen und Wollsocken und meine alten Turnschuhe, wenn du es genau wissen willst. »Am wohlsten fühle ich mich immer in schwarzen Dessous«, säuselte ich so freundlich wie möglich ins Telefon. Denk dran, Jen, nächsten Freitag ist
die Autoversicherung fällig. Dieser Blödmann ist deine Autoversicherung. »BH und Höschen aus Spitze und natürlich Strapse und Strümpfe.« Ich kicherte, ein bisschen atemlos. »Mit Nähten hinten. Ich weiß nicht, warum die Frauen heute alle keine Strümpfe mehr tragen. Strümpfe sind doch so … feminin …« Ich ließ den Satz offen, so dass seine Fantasie ihn zu Ende führen konnte. Entweder ich hatte ihn jetzt an der Angel oder er war schwul.
»Mhm, ja, das klingt toll«, zehn zu eins, dass er seinen Pimmel in der Hand hatte. »Ähm … okay, ja … Das ist okay. Wann kannst du hier sein?«
Na endlich. Wenn wir erst einmal bei den Einzelheiten waren, konnte ich entspannen. Gott sei Dank.
Ich holte noch mal tief Luft. »Mein Auto ist kaputt, deshalb lasse ich mich von einem Bekannten fahren. Ich muss ihn anrufen, und ich brauche noch eine Wegbeschreibung von dir, damit ich so schnell wie möglich bei dir sein kann.« Um den Schlag abzumildern, fügte ich hinzu: »Ich kann es kaum erwarten. Ich mag deine Stimme. Sie ist so warm und … intim. Ich wünschte, ich könnte bei dir sein … jetzt.«
»Du magst meine Stimme?« Später wird er herumerzählen, dass ich von Anfang an verrückt nach ihm war. Wenn ich ihm auch nur das kleinste Kompliment mache, wird er sagen, er hätte eigentlich Geld von mir bekommen müssen. »Sie war total heiß auf mich. Ich sag’s euch, schon als sie meine Stimme am Telefon hörte, ist es ihr gekommen …«
Schon mal was von Projektion gehört?
Ich verdrehte die Augen in Richtung Scuzzy (schließlich wollte ich wenigstens seinen Respekt behalten) und zog noch einmal alle Register meiner Heiserkeitserotik: »Ja. Deine Stimme ist so … angenehm. So sanft und sinnlich.« Noch einmal das aufregende Sousentendre , aber nun reichte es auch mit den sprachlichen Finessen: »Also, Jake … wo wohnst du?«
Er gab mir eine endlose Wegbeschreibung. Ich wiederholte die Anweisungen und sagte, ich wäre in etwa eineinhalb Stunden bei ihm, um eine kleine Toleranz einzubauen. Er murrte, aber er wusste längst, dass die Anfahrt so lange dauern würde. Er wusste, dass ich aus der Innenstadt kam. Er wollte mich bloß ein bisschen unter Druck setzen, etwas in der Hand haben, das er gegen mich benutzen konnte, um mir ein schlechtes Gewissen zu machen. Es war erstaunlich, wie viele Klienten auf diese Art von Kontrolle standen: Sie wollten Schuldgefühle beim Callgirl auslösen, ihr von Anfang an das Gefühl geben, sie müsse sich besonders anstrengen, um den Kunden zufrieden zu stellen und ihn für irgendetwas zu entschädigen. Ich hatte den Kerl schon satt, als ich den Hörer auflegte. Es hatte mich volle zehn Minuten gekostet, die Verabredung einfach nur zu bestätigen. Ein Profi. Das hatte er garantiert nicht zum ersten Mal gemacht.
John ging beim zweiten Klingeln ans Handy. Britischer Akzent. »John hier!«
»Jen hier«, antwortete ich verdutzt. »Peach sagt, du kannst mich nach Marblehead bringen?«
»Genau. Wo wohnst du?«
»Allston, in der Nähe der Brighton Avenue. Ich brauche ein paar Minuten, um mich anzuziehen.«
»Okay, dann bin ich in 20 Minuten da.«
Abschließender Anruf bei Peach: »Es ist alles geregelt.«
»Selbstverständlich ist alles geregelt.« Peach geht immer davon aus, dass die Welt sich ihren Plänen anpasst. »Ruf mich nachher an und sag John, er soll mich auch anrufen. Ich möchte, dass er mir ein paar Zigaretten besorgt, während du beim Kunden bist.«
Ich wandte meine Aufmerksamkeit dem Kleiderschrank zu. Großartig. Eine der heißesten Nächte des Jahres und ich hatte mich gerade verpflichtet, die volle Kampfausrüstung anzulegen. So ist das Leben.
Ich schaffte es in 20 Minuten, zog ein einigermaßen kurzes, aber nicht zu billig wirkendes, gemustertes Sommerkleid über die ausführlich erörterten Dessous, bürstete mein Haar aus, trug Make-up und Parfum auf und legte Ohrringe und Armreifen an, während ich versuchte, das Ende von Frasier zu verfolgen. Diese Maris war schon eine echte Zicke!
Ich stand etwas unschlüssig vor dem Eingang meines Wohnhauses herum, bis
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