Callgirl
zu schnupfen und über alle möglichen Themen von Politik bis Architektur zu diskutieren. Geistreich natürlich. An manchen Abenden spielten wir Gesellschaftsspiele wie Pictionary, Tabu, Trivial Pursuit oder Scrabble. So manieriert, clever und egozentrisch wie wir waren, hätten wir mühelos mit jedem französischen Salon von Möchtegern-Literaten des 18. Jahrhunderts mithalten können, der einzige Unterschied war, dass wir es wussten und noch nicht zu abgehoben waren, um uns über uns selber lustig zu machen.
Und ich muss sagen, dass es wirklich sehr lustig war, solange es dauerte. Ich besuchte ein oder zwei Kunden, eilte dann gegen ein Uhr morgens zur Wohnung von Peach, vergnügte mich beim Spielen und blieb bis um fünf, ging nach Hause und schlief. Natürlich nicht jede Nacht: Ich unterrichtete, ich hatte Vorlesungen vorzubereiten und Klausuren zu benoten. Aber es geschah oft genug, um meinem Leben einen Kick zu geben, um mir das Gefühl zu vermitteln, etwas Besonderes zu sein und zu tun. Am Ende mochte sich alles als Trugbild erweisen, aber solange es dauerte, machte es Spaß.
An diesem speziellen Abend spielten wir Scrabble und taten uns an etwas Wein und Koks gütlich. Ich wusste nicht mehr, wo ich mein Weinglas abgestellt hatte, und der Mann neben mir berührte
meinen Arm und hielt mir sein eigenes Glas hin: »Hier, nimm einen Schluck von meinem.«
Ich schaute hoch. Es war Luis, der manchmal als Fahrer für Peach arbeitete und tagsüber an der Business School studierte. Ich nahm das Glas, und er sah mir tief in die Augen, während ich davon trank und es dann zurückgab. »Lass uns spielen«, sagte ich.
Wir tranken das Glas Wein zusammen aus und dann noch eines. Wir spielten Scrabble, und Luis gewann. Schließlich gingen die Gäste in kleinen Gruppen nach Hause, und Peach verzog sich gähnend ins Bett. Luis und ich blieben sitzen, redeten wie verzaubert miteinander, innig aneinander geschmiegt unter einer großen Steppdecke … Wir sprachen über seine und meine Kindheit. Wir sprachen über ethische Grundsätze in der Wirtschaft und in der Wissenschaft; wir redeten über Gott und die Welt … ich weiß nicht mehr genau, über was wir noch alles redeten, aber ich weiß, dass wir uns ineinander verliebten.
Was einige interessante und unerwartete moralische Fragen aufwarf. Wenn die Liebe käuflich ist, wie kann man sie dann verschenken?
Kapitel 13
Und so begann meine Beziehung mit Luis Mendoza.
Ich bemerkte nicht, dass sich die Qualität meines Unterrichts verschlechterte, jedenfalls anfangs nicht. Ich weiß ehrlich gesagt auch nicht, ob es sonst irgendjemandem auffiel. Zuerst bekam ich nachts immer weniger Schlaf, kriegte die Sache aber trotzdem irgendwie hin, hauptsächlich weil ich das Unterrichten so belebend und aufregend fand, dass der Adrenalinschub mir über die Runden half.
Aber ich gab Klausuren zu spät zurück, weil ich nicht dazu kam, sie zu lesen und zu benoten, oder weil ich am Schreibtisch einschlief, wenn ich es versuchte.
Ich rationalisierte meine Besorgnis: Na gut, dann war ich eben ein bisschen spät dran. Was war schon dabei? Ich kannte Dozenten, die ewig brauchten, bevor sie Klausuren zurückgaben. Mein Promotionsberater hatte meine Prüfungsarbeit in Französisch verloren , tat sechs Monate lang so, als ob er sie immer noch hätte, und ließ mich die Prüfung schließlich bestehen, nur weil er das Gegenteil nicht beweisen konnte. Meiner Meinung nach befand ich mich in bester Gesellschaft.
Ich dachte auch nicht sehr viel darüber nach. Es war ja nur für eine kleine Weile … ein paar zu spät korrigierte Arbeiten … ein paar schlecht vorbereitete Unterrichtsstunden. Das würde ich schon überstehen.
Meine Gedanken drehten sich in dieser Zeit weitaus häufiger um Luis. Er war der perfekte Liebhaber. Er schickte mir Blumen.
Er rief mich an, nur um meine Stimme zu hören. Er ging davon aus, dass ich außergewöhnlich intelligent, klug und geistreich war; und ich stellte fest, dass ich mich ungeheuer anstrengte, um seine Erwartungen nicht zu enttäuschen. Unser Sexleben war sanft und zärtlich und schön. Er schrieb mir ein Gedicht. Auf Spanisch.
Und merkwürdigerweise schien meine Tätigkeit bei Peach nicht den geringsten Einfluss auf unsere Beziehung zu haben.
Ich habe es bereits erwähnt, aber man kann es gar nicht oft genug sagen: In der ganzen Zeit, in der ich für den Escort-Service arbeitete, habe ich diesen Job immer sehr sorgfältig von meinem übrigen Leben getrennt.
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