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Calling Crystal

Calling Crystal

Titel: Calling Crystal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joss Stirling
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festzustellen, dass ich solche Gefühle auch für Xav empfand. Es war mehr als bloße körperliche Anziehung; ich hatte begonnen, die Person unter der charmanten Schale zu mögen. Obwohl wir uns die meiste Zeit auf die Nerven gingen, hatte er sich, was die ganze Situation betraf, total korrekt verhalten. Er hätte mich aufziehen können, aber als ihm klar wurde, dass die Anziehung auf Gegenseitigkeit beruhte, hatte er sich nicht darüberlustig gemacht oder so getan, als wäre es einerlei, was der einfache Weg aus einer heiklen Situation gewesen wäre. Nein, er begegnete mir mit Respekt und betrachtete das Erlebnis mit großem Staunen.
    Und dann, als wir in den frühen Morgenstunden nach Hause gingen, wurde mir plötzlich klar, dass ich mich ein bisschen in ihn verknallt hatte.
    Die Straßen, die in Venedig so selten mal zur Ruhe kamen, waren still. Ein paar Fischerboote kehrten von ihrer nächtlichen Fangfahrt in der Lagune zurück und fuhren den Giudecca-Kanal hinunter; die Motoren brummten gegen das leise Klatschen der Wellen an. Bald schon würden sie ihren Fang beim Fischmarkt an der Rialto-Brücke abladen – dann kämen die Köche, um frische Fische zu kaufen und sich um das Obst und Gemüse zu streiten; die Stadt würde den Schlaf abschütteln und sich wieder an die Arbeit machen, aber im Moment gehörte sie uns und den Katzen, die durch die Gassen streiften. Nachts sahen die Straßen unweigerlich düster aus, ein Ort für Meuchelmörder und Geister; die Gegenwart verschmolz mit der Vergangenheit; die Kanäle flüsterten mit greisen Stimmen von gebrochenen Versprechen; uralte Kümmernisse lauerten in den Schatten.
    Xav nahm meine Hand. Er schwang unsere Arme vor und zurück und summte leise dazu. Seine ausgelassene Stimmung hielt die bösen Geister fern, so als würden wir uns in unserer eigenen Blase des Glücks fortbewegen.
    »Weißt du, Crystal, vielleicht sollten wir noch maldie Frage aufgreifen, ob es zwischen uns beiden eine besondere Verbindung gibt oder nicht. Das haben wir nie richtig ergründet, oder?«
    Milde gestimmt vom Mondlicht und der friedvollen Atmosphäre ging ich nicht wie sonst gleich zum Gegenangriff über. »Das habe ich dir doch schon in Denver zu erklären versucht. Ich kann mich nicht telepathisch austauschen.«
    »Aber du hast eine Begabung?«
    »Eine geringfügige. Ich finde Sachen, die Leute verloren haben, Sachen, die ihnen gehören.«
    »So wie Trace?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nicht so ausgefeilt. Er kann jeden beliebigen Gegenstand ausfindig machen, den eine Person angefasst hat. Ich kann nur finden, was dir gehört, zum Beispiel deine Schlüssel oder dein Lieblingsplüschtier.«
    Er drückte meine Hand. »Ich weiß nicht, warum du das als geringfügige Begabung bezeichnest, da draußen gibt es Millionen von Leuten, die das toll fänden. Eltern würden vor dir auf die Knie sinken und dir dafür danken, dass du die Schmusedecke ihres Kindes wiedergefunden hast.«
    Bei dieser Vorstellung musste ich lächeln. »Ja, ich weiß. Meine Geschwister finden es manchmal auch ganz nützlich. Allerdings sind sie noch nie vor mir auf die Knie gesunken.«
    »Na ja, sie nehmen es mittlerweile als selbstverständlich hin. Also, warum hast du Angst vor Telepathie?«
    »Du glaubst, dass ich Angst habe?«
    »Na was denn sonst?«
    Vielleicht hatte er sogar recht. »Es hat sich nur immer ganz furchtbar angefühlt. Wie ein Vogelschlag beim Flugzeug – mein Gehirn ist das Triebwerk und all die Dinge, die die Leute umgeben, sind der Vogelschwarm. Ich komme nur einigermaßen klar, wenn ich meinen eigenen Kurs durch den Geist von Leuten festlege, aber sobald sie mit mir in Verbindung treten wollen, bin ich total überfordert und stürze ab.« Wir blieben auf der Mitte der Accademia-Brücke stehen. Wer würde nicht anhalten, wenn der Mond das tintenschwarze Wasser des Canale Grande versilbert? »Ich glaube, ich habe Angst davor herauszufinden, dass ich kein richtiger Savant bin wie ihr alle.« Nun war es raus.
    »Was bist du dann?« Er drehte sich zu mir um und sah mich an.
    Ich war dankbar, dass er sich über meine Ängste nicht lustig machte. »Keine Ahnung. Vielleicht so was wie eine Unterart? Hast du jemals einen anderen Savant getroffen, der nicht per Telepathie kommunizieren kann?«
    »Nein, aber das heißt ja nicht, dass es solche Savants nicht gibt. Ich wünschte, du würdest mir erlauben, dich mal genauer unter die Lupe zu nehmen. Vielleicht könnte ich herausfinden, warum dir Telepathie

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