Calling Crystal
Ihrem untertänigen Diener diese Dreistigkeit jemals verzeihen?«
»Ich sehe, dass die Klamotten des achtzehnten Jahrhunderts auf dein Benehmen abgefärbt haben.« Ich rieb mit den Knöcheln über seinen Schädel. »Du Knallkopf.«
»Für Sie bitte Sir Knallkopf, Mylady.«
Als wir die Brücke in der Nähe von unserem Haus erreichten, bemerkten wir beide im selben Moment, dass wieder Hochwasser war.
Ich hob meinen Fuß hoch und zeigte auf meine Gummistiefel. »Noch mal huckepack?«
»Nein, das lässt mein Stolz nicht zu.« Er setzte sich hin und zog seine Timberlands aus. Er warf sie mir in die Arme. »Hier, halt mal. Was immer du auch tust, lass sie bloß nicht fallen.« Und dann, bevor ich auch nur ahnte, was er vorhatte, hob er mich hoch und watete ins wadentiefe Wasser.
»Xav! Ich habe Gummistiefel an – das ist doch nicht nötig.«
Er drückte mich fester an sich. »Und wie das nötig ist, Mylady. Haben Sie denn nicht das ›Handbuch des galanten Gentlemans‹ gelesen?«
Ich schüttelte den Kopf und kicherte, als er prustend mit den Zehen ins eiskalte Wasser eintauchte.
»Auf Seite achtundzwanzig steht unmissverständlich, dass ein Gentleman seine gesellschaftliche Stellung verliert, wenn er sich mehr als einmal von einer Dame huckepack tragen lässt. Er muss seine Zehen opfern, damit sie trockenen Fußes bleibt.«
»Und was ist mit seinen Timberlands?« Ich ließ die Boots an den Schnürsenkeln über dem Wasser baumeln.
»Die nicht.« Grinsend setzte er mich an unserem Tor ab. »Ich glaube, die nehme ich lieber wieder an mich.«
Die Tauzeit in unserer Beziehung setzte sich in der darauffolgenden Woche fort. Es gab zwar immer noch einen Haufen Arbeit im Atelier, doch blieb ich nicht länger als nötig von zu Hause weg und Xav ging sogar ein paarmal mit mir zusammen joggen. Er war wesentlich besser in Form als ich und fand meine kleine Runde entlang der Zattere geradezu harmlos; schließlich war er in den Bergen groß geworden, mit endlos langen Waldpfaden als Laufstrecke. Doch seine Bemerkungen waren frotzelnd und nicht hämisch, deshalb konnten Rocco und ich großzügig darüber hinweghören. Die kurzen Beine des Hundes lieferten mir die passende Ausrede, wenn ich eine Pause einlegen musste, und Xav spielte netterweise mit.
Erbitterte Konkurrenten waren wir nur, wenn es um die Organisation der Junggesellen- beziehungsweise des Junggesellinnenabschieds ging. Nach meinem wackligen Start hatte ich mich ordentlich in die Sache verbissen und mächtig die Ärmel hochgekrempelt. Keiner von uns beiden plauderte irgendwelche Einzelheiten aus, aber hin und wieder ließen wir kleine Bemerkungen fallen, um bei dem anderen die Angst zu schüren, dass seine Party übertroffen würde.
»Diamond, bitte denk dran, dass du dir ein wirklichbesonderes Kleid für Freitag besorgst – Topdesigner, topteuer. Mir egal, wenn wir deswegen auf der Hochzeit von Papptellern essen müssen, aber du darfst mich nicht enttäuschen«, erklärte ich meiner Schwester Montagabend beim Abendbrot und sorgte dafür, dass die Benedict-Brüder auch jedes Wort gehört hatten.
Xav hob eine Augenbraue. »Du hast doch nicht etwa meine Idee mit dem Kasinobesuch geklaut, oder? Ich hätte dir anfangs einfach nicht so viel verraten dürfen.«
Ich machte eine wegwerfende Handbewegung. »Kasino? Vergiss es: Das ist viel zu abgedroschen und, wenn ich das so sagen darf, viel zu gewöhnlich. Jeder Touri dackelt da hin.«
Xav prustete vor Schreck in sein Weinglas.
Trace nahm Diamonds Hand und strich mit seinem Daumen über ihren Handrücken. »Mhm, Schatz, wo gehst du hin, dass ein Banküberfall nötig ist, um dein Outfit zu finanzieren? Und vergiss nicht: Ich bin Polizist! Alles, was du sagst, kann vor Gericht gegen dich verwendet werden.«
Sie lachte. »Keine Sorge, Liebling, ich werde nichts Illegales tun …«
Er grinste.
»Nein, das erledigen schon Sky, Phoenix und meine Mutter für mich.«
Trace stöhnte. »Sag so was nicht mal im Spaß, Diamond. Die drei würden ein unschlagbares Team abgeben: Mom sieht in die Zukunft, Sky ist mittlerweile verdammt geschickt darin, Gegenstände mittels Gedankenkraft zu bewegen, und Phoenix kann die Zeitanhalten. Zusammen könnten sie in Fort Knox einbrechen und keiner würde ihnen auf die Schliche kommen.«
Ich müsste die Mädels bei unserem nächsten Zusammentreffen unbedingt noch mehr über ihre Begabungen ausquetschen; das alles klang sehr faszinierend. »Schon okay, Trace, du solltest aber
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