Calling Crystal
Überwürfe abzunehmen. Erst da entspannte sich Steve merklich und begrüßte uns.
»Hey Lily, du siehst umwerfend aus!« Er küsste die Kostümbildnerin rechts und links auf die Wange.
Ich musste mir einen lauten Jubelschrei verkneifen:Ich war im selben Raum wie mein Held. Ich war SEIN DATE!
James umarmte uns beide. »Hallo Crystal. Und, bist du auf das hier vorbereitet?«
Ich lächelte ihn schwach an.
Lily klaubte einen losen Faden von Steves Revers. »Mir gefällt das Sakko, Steve. Tom Ford?«
»Ja. Das ist eins meiner Lieblingsstücke.« Steve wandte sich mir zu.
Tief durchatmen, Crystal. Blamier dich bloß nicht!
»Hi, du musst Crystal sein. Vielen Dank, dass du bei diesem Zirkus heute Abend mitspielst.« Er beugte sich vor und küsste mich wie Lily zweimal auf die Wangen. »Tolles Kleid!«
»Danke!«, piepste ich.
Er sah mich verständnisvoll an. Vermutlich benahm sich jedes normale Mädchen in seiner Gegenwart leicht merkwürdig, deshalb erlebte er es wohl nicht zum ersten Mal, dass jemand vor ihm stand und zum Vollidioten mutierte.
»Folgendes, Crystal: Der ganze Auftritt hier findet zu Ehren eines Freundes von mir statt. Wir schlürfen ein bisschen Champagner, sagen ein paar Leutchen Hallo, unterstützen die Kunstsache, dann trennen sich unsere Wege wieder.« Er rieb sich kurz die Hände. »Ich habe noch eine lange Pokernacht mit den Jungs aus der Crew im Hotel vor mir, drum will ich in ungefähr einer Stunde hier wieder los. Ist das in Ordnung für dich, Crystal?«
Nicht gerade schmeichelhaft, aber ich hatte nichterwartet, den ganzen Abend lang in den Genuss seiner ungeteilten Aufmerksamkeit zu kommen.
»Kein Problem.«
»Super. Dann rein ins Getümmel.« Er bot mir seinen Arm an und ich hakte mich bei ihm unter. Hoffentlich merkte er nicht, wie ich auf meinen Zehnzentimeterstöckeln herumeierte. Zum Glück schien ihn die Tatsache, dass ich ihn weit überragte, in keinster Weise zu stören. »Also, erzähl mir was von dir. Lily meinte, du warst eine der Komparsen?« Im Vorbeigehen warf er einen prüfenden Blick in den Wandspiegel.
»Ja.«
»Und, willst du Schauspielerin werden?«
Das lag mir so was von fern, dass ich unwillkürlich loslachte. »Auf keinen Fall!«
Er grinste mich kurz an und ich verschluckte beim Anblick seiner kobaltblauen Augen um ein Haar meine Zunge. Sein Leinwandcharisma kam im echten Leben noch viel besser rüber. »Du gefällst mir. Möchtegernschauspielerinnen sind echt ätzend und mir begegnen einfach viel zu viele von der Sorte. Was machst du?«
»Ich schneidere Karnevalskostüme – so wie die Masken und Gewänder, die wir beim Dreh anhatten. Das ist eine alte Tradition in Venedig.«
»Hey, na das ist doch mal echt interessant.« Er tätschelte mir leicht gönnerhaft den Handrücken – gut gemacht, ihr einfachen Leutchen. »Ich glaube, ich bin noch nie in meinem Leben mit jemandem ausgegangen, der mit den Händen arbeitet. Ein Date mit einer Handwerkerin zu haben zeigt doch mal, dass ich überraschendviel Tiefgang besitze, oder?« Mit einem Augenzwinkern versuchte er, seiner Bemerkung die selbstgefällige Spitze zu nehmen, aber vermutlich hatte er es genau so gemeint. Er führte mich mitten in die Menge hinein, alle Köpfe drehten sich zu ihm um: Sonnenblumen, die sich nach der Sonne reckten. Ohne zu zeigen, dass er die Reaktionen ringsum bemerkt hatte, lotste mich Steve geradewegs zu dem Künstler, dessen Werk wir hier bewundern sollten. Ich hatte noch keinen Moment Zeit gefunden, um zu gucken, was hier überhaupt ausgestellt wurde. Als wir uns durch die Menge schoben, streifte ich im Vorübergehen die Skulptur eines verzweifelt wirkenden Clowns und erhaschte aus dem Augenwinkel eine lädiert aussehende Ballerina auf einer mit Farbe bespritzten Leinwand; offensichtlich hatte die Ausstellung ein theaterbezogenes Thema.
Steve streckte seine Hand einem kleinen Mann entgegen, der ganz in Pfauenblau gekleidet war. »Hey Sebastian, was für eine großartige Schau!« Nicht dass ich bisher viel davon zu sehen bekommen hätte.
»Oh Steve, du bist tatsächlich gekommen!« Der Künstler fuchtelte fahrig herum und schüttete sich Champagner über die Finger, als er sein Glas in die andere Hand wechselte, um Steve zu begrüßen. Ich wich einen Schritt zurück, wachsam auf mein Kleid achtend. »Ach, wie reizend von dir!«
»Das hätte ich mir nicht entgehen lassen wollen. Darf ich dir meine Freundin hier vorstellen – Crystal … ähm … Crystal.« Die Schamröte
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