Calling Crystal
Boden hoch.
»Ich weiß nicht so recht – wirklich?«
»Natürlich.«
»Au, du brichst mir gleich ’ne Rippe, wenn du mich noch doller drückst, du Dödel.«
Er setzte mich wieder ab. »Was soll Dödel eigentlich immer heißen?«
»Das bedeutet Blödmann bei uns, ist aber nett gemeint.«
»Na toll.«
»Ist es okay, wenn wir reingehen?«, rief Trace.
»Ja, alles in Ordnung.« Na ja, das stimmte zwar nicht ganz, aber wir wussten alle, was ich meinte. »Ich glaube, sie schmieren sich gerade ein paar Brote. Geh’slangsam an, hörst du? Sie sind noch nicht …« Ich ließ die Hand in der Luft kreisen auf der Suche nach den passenden Worten.
»Auf der richtigen Wellenlänge?«, schlug Yves vor und starrte mit schier unerträglich sehnsuchtsvollem Blick zum Fenster im oberen Stockwerk.
»So was in der Richtung, ja.«
Xav hatte mich die ganze Zeit angesehen. »Wir kommen gleich nach.«
»Okay. Ich mach schon mal Kaffee.« Yves ging als Erster ins Haus, die anderen folgten ihm.
Sobald wir den Garten für uns hatten, fing ich an, mit Xav zu balgen, und brachte ihn zu Boden.
»Du …«, piks, »hast versprochen …«, nochmal piks, »dass du zurückkommen würdest …«, leichter Klaps gegen die Brust.
Xav ließ mich auf sich draufsitzen und warf die Arme auseinander. »Und hier bin ich.«
»Aber erst nach einer Nacht im Gefängnis. Seid ihr problemlos auf Kaution raus?«
»Ja, das haben wir Yves zu verdanken. Das erste Mal, dass keiner von uns was dagegen hatte, sein Sparschwein zu plündern.«
»Und wenn ihr diese Möglichkeit nun nicht gehabt hättet?« Ich ertrug es kaum, über das Was-wäre-wenn nachzudenken.
»Dann hätte ich drauf gehofft, dass du uns mit deinen Ninja-Kräften da rausboxt.«
»Ich bringe deine Brüder um. Ich habe sie extra gebeten, dir nichts davon zu erzählen.«
»Zuckerpuppe, sie konnten nicht anders. In solch einer Zelle bleibt einem nicht viel außer Reden. Sie meinten, du hättest dich gut geschlagen.«
»Ich hab voll versagt, aber wir haben’s trotzdem da rausgeschafft.«
»Dad lässt allen ausrichten, dass Will gute Fortschritte macht. Anscheinend sind die Ärzte ganz beeindruckt von seiner Genesung – fast so, als hätte ihn ein Wunderheiler berührt.« Xav grinste selbstgefällig und ich verpasste ihm einen Knuff. »Autsch! Ich ergebe mich. Sie hoffen, dass er in ein Krankenhaus hier in der Nähe verlegt werden kann. Dad klärt das gerade alles ab. Darf ich jetzt aufstehen?«
Ich setzte mich in die Hocke und tat so, als würde ich darüber nachdenken. »Ich weiß nicht, Androkles. Ich habe dich gerade genau da, wo ich dich haben will: in meinen Klauen.«
»Ah, das ist mein Mädchen! Komm her und gib mir ’nen Kuss.« Er winkte mich näher und zeigte auf seinen Mund.
Ich beugte mich zu ihm hinunter und mein Haar streifte sein Gesicht und seinen Hals. Ganz sacht tupfte ich ihm einen schmetterlingsleichten Kuss auf die Lippen. Er fuhr rasch in die Höhe, zog mich an sich heran und vertiefte den Kuss. Wäre ich eine Löwin gewesen, hätte ich angefangen zu schnurren.
»Tut mir leid, dass du Angst hattest wegen mir«, flüsterte er; mein Kopf lag an seiner Schulter.
»Keine riskanten Skifahrten mehr und nie wieder Ringkämpfe mit Bodyguards.«
»Ich werde versuchen, so etwas zukünftig zu vermeiden.«
Ich schnupperte. »Du riechst nach billigen Zigaretten, mein lieber Seelenspiegel.«
»Meine Bleibe gestern Nacht war nicht besonders prickelnd, um ehrlich zu sein. Lass uns reingehen, damit ich mich umziehen kann.«
Kapitel 17
Die Stille in der Wohnung war beklemmend. Sky saß neben Zed und ließ ihn ihre Hand halten, aber ihrerseits fehlte dieser Geste jegliche Zuneigung. Yves zeigte Phoenix etwas am Computer und dabei wirkten die beiden wie zwei höfliche Fremde, die sich zufällig in der Stadtbibliothek begegnet waren. Trace und Diamond saßen am Küchentisch und gingen die Liste der Hochzeitsgäste durch, die ihr Kommen zugesagt hatten; es brach mir das Herz zu hören, wie er sie an ihre Freunde und Familienangehörigen erinnerte und sie ihm flüsternd antwortete. Uriel und Victor standen am Spülbecken, Schulter an Schulter, zwei Brüder, die Rückhalt suchten angesichts der schrecklichen Erkenntnis, dass das Glück ihrer Familie auf Messers Schneide stand.
Uriels Miene hellte sich auf, als er mich sah. Es fühlte sich gut an, jemandes Lichtblick zu sein.
»Hey Crystal, alles okay?«
»Ja, danke. Was meinst du, Victor?« Ich deutete aufdie Mädchen. »Du
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