Calling Crystal
Regisseur schäumte. »Die versammelte Presse wartet da draußen. Es genügt nur der Hauch eines Gerüchts, dass Steve Hughes auf einem Polizeirevier ist, und schon kommen sie in Scharen. Ganz davon zu schweigen, dass du meinen Drehplan über den Haufen geworfen hast.«
»Reg dich ab, James«, sagte Lily und tätschelte ihm die Brust, um ihn daran zu erinnern, dass zu viel Aufregung nicht gut war für sein Herz. »Alles in Ordnung, Steve?«
Der Schauspieler breitete die Arme aus. »Ich muss dringend gedrückt werden.«
Leicht errötend tat Lily, worum Steve sie gebeten hatte. Wenigstens diese Sache war gestern Abend geklärt worden.
»W… Was?« James schüttelte den Kopf, als sich die beiden küssten. »Ich frag ja schon gar nicht.«
»Crystal muss mit ihrer Familie nach Venedig zurück.« Steve kramte seine Sonnenbrille hervor, um sich für die wartenden Kameras zu wappnen. »Können wir Ihnen einen Fahrer zur Verfügung stellen?«
»Ja, aber du bleibst hier, oder?«, fragte James argwöhnisch.
»Erst mal ja. Ich glaube, im Moment könnte ich nichts weiter für sie tun, als ihnen unerwünschte öffentliche Aufmerksamkeit zu bescheren. Ist das für dich in Ordnung, Crystal?«
»Mehr als das. Du warst großartig. Ein wahrer Held.«
»Schön zu wissen, dass es tatsächlich in mir steckt«, sagte Steve mit einem selbstironischen Grinsen.
Lily schlang ihre Arme um seine Taille und drückte ihn an sich. »Ich bin stolz auf dich.«
»Wir nehmen den Hinterausgang.« James traf schnell ein paar Vorkehrungen per Handy. »Mein Fahrer wird Crystal und ihre Familie nach Hause bringen.« Der arme James hatte es eilig, mich loszuwerden, da ich eindeutig ein Störfaktor war. »Und du, mein lieber Filmstar, wirst deinen Hintern jetzt den Berg da raufbewegen und diesen Stunt drehen, bevor das Wetter umschlägt.«
Steve schob seine Hand in Lilys Potasche und sie verstaute ihre Hand in seiner. »Danke, James. Und das alles tut mir echt leid. Lily und ich werden es dir auf dem Weg nach oben erklären – aber ich warne dich: Du wirst kein Wort glauben.«
Der Regisseur stöhnte. »Sag mir einfach nur, dass mich kein kostspieliger Gerichtsprozess erwartet.«
»Ich hoffe nicht.«
»Gibt’s jemanden, den ich dafür erschießen kann?«
»Das wäre um ein Haar schon passiert – und die Sache ist nicht lustig.«
James wackelte mahnend mit dem Finger. »Crystal, sag mir noch mal, warum ich dich je in die Nähe meines Films gelassen habe?« Er war nicht wirklich sauer auf mich, bloß entnervt wegen der Situation, in die ich ihn mit hineingezogen hatte.
»Weil ich groß gewachsen bin, Mr Murphy.«
»Schreib dir’s hinter dir Ohren, Murphy«, murmelteer vor sich hin, als er uns vor sich durch den Hintereingang scheuchte. »Nie mit Kindern, Tieren oder groß gewachsenen Mädchen arbeiten!«
Rio d’Incurabili, Dorsoduro, Venedig
Das Hochzeitskleid war während unserer Abwesenheit geliefert worden. Signora Carriera hatte es für Diamond entgegengenommen und in ihr Zimmer gehängt, sodass es das Erste war, was meine Schwester sah, als sie nach Hause kam.
»Oh mein Gott.« Sie setzte sich auf die Bettkante und starrte das Kleid an. »Das kann ich nicht anziehen.«
»Es ist bildschön, Di. Gib dir ein paar Tage Zeit. Die Hochzeit ist erst am Samstag und bis dahin haben wir’s vielleicht ja schon geschafft, dass du wieder die Alte bist.« Andächtig strich ich über den Oberrock aus Spitze: Das Kleid war fabelhaft. Ich wollte, dass Diamond sich wundervoll fühlte, wenn sie es trug, und nicht diese verzweifelte, leere Person war, die keine Erinnerungen mehr an die wichtigsten Menschen in ihrem Leben hatte.
»Würdest du für mich Mama und die anderen anrufen? Ich wüsste nicht, was ich sagen sollte.« Sie räusperte sich. »Ich meine, ich kenne sie im Grunde alle ja gar nicht, was?«
»Ja, das mache ich.« Ich verzog mich mit dem Telefon raus in den Garten. Mama beizubringen, dass ihr Prachtmädchen dermaßen viele Erinnerungen verloren hatte, war das schwierigste Gespräch, das ich je hatte führen müssen. Unsere Mutter kam prompt zudem voreiligen Schluss, dass alles meine Schuld sei, da ich die Party organisiert hatte. Ich glaube, sie begriff gar nicht die Tragweite dessen, was mit ihrer Tochter passiert war, sondern betrachtete das Ganze vielmehr als eine Fortsetzung meines schändlichen Verhaltens, das mich zusammen mit Steve in die Zeitungen gebracht hatte. Ich war es dermaßen gewohnt, das schwarze Schaf der Familie
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