Calling Crystal
sich höchst unbeeindruckt. »Nein, das hier ist noch viel abgefahrener. Sie müssen diese alte Schachtel einsperren – die Frau hat nicht mehr alle Tassen im Schrank.«
Ich beschloss, diese Bemerkung nicht zu übersetzen. »Er sagt, dass er Ihre Haltung gut verstehen kann und Ihnen danken möchte.«
Der Beamte verstand anscheinend mehr Englisch, als er hatte durchblicken lassen, denn auf meine sehr freie Übersetzung von Steves Worten reagierte er mit verächtlichem Schnauben. »Wäre der Bürgermeister nicht dermaßen beeindruckt davon, dass in seiner Gemeinde ein Film gedreht wird, würde ich keine Sekunde zögern, Ihren Freund hier seine Koffer packen zu lassen, Promi hin oder her.«
Ich lächelte ihn hilflos an, so als wollte ich sagen: ›Was kann ein einfaches Mädchen wie ich schon tun, um einen Weltstar wie ihn in die Schranken zu weisen?‹
»Es steckt jedenfalls mehr hinter dieser Sache, als ich überblicke, so viel steht fest.« Der Polizist stieß seine Papiere auf Kante. »Wie dem auch sei, mehr kann ich ohnehin nicht für Sie tun, da Ihre Freunde bereits auf dem Weg nach Verona sind, wo sie verhört werden und die Freilassung auf Kaution beantragen können. Falls diese bewilligt wird, könnten sie heute Abend schon wieder auf freiem Fuß sein.«
»Und was ist mit Will Benedict?«
»Der Mann im Krankenhaus?«
Ich nickte.
»Er gilt ebenfalls als verhaftet, aber die Sachlage ist hier komplizierter, weil gegen ihn schwere Körperverletzung begangen worden ist. Die Untersuchung dazu läuft gerade. Ich würde vorschlagen, dass manseinen Namen in den Kautionsantrag mit aufnehmen sollte.«
»Was ist mit der Beschuldigung wegen Entführung und Freiheitsberaubung?«
»Eins nach dem anderen, Signorina. Wir brauchen Beweise, die diese Vorwürfe untermauern. Bisher liegen uns nur Zeugenaussagen vor, nach denen Ihre Schwester und deren Freundinnen Gäste im Haus der Contessa waren und sich aus freien Stücken dort aufhielten. Weitaus fragwürdiger erscheint die gewaltvolle Abreise der Frauen, bei der sie von Angehörigen geschultert und fortgeschleppt wurden.«
»Aber das ergibt doch gar keinen Sinn, sehen Sie das nicht? Meine Schwester und ihre Freundinnen kennen die Contessa nur flüchtig – warum also sollten sie bei ihr bleiben und ihrer eigenen Familie die kalte Schulter zeigen wollen? Sie hat mich auf einer Insel in der Lagune ausgesetzt, Herrgott noch mal! Es war reines Glück, dass ich mir keine Unterkühlung geholt habe.«
Seine harten Gesichtszüge wurden für einen Moment ganz weich. »Haben Sie einen Zeugen dafür?«
Ich erinnerte mich an den Banker aus Mailand. »Ja! Seine Visitenkarte liegt in unserer Wohnung in Venedig. Es handelt sich um einen sehr respektablen Zeugen. Er hat gesagt, wir sollen ihn kontaktieren, falls wir noch Fragen an ihn hätten.«
»Dann sollten Sie das schleunigst tun. Allerdings in Venedig. Die Contessa ist bereits dorthin zurückgekehrt, da ihr Kastell vom Feuer stark beschädigt worden ist. Wenn ein Verbrechen gegen Sie verübt wurde,dann hat es ja wohl dort stattgefunden. Es ist also ziemlich zwecklos, die Sache hier auf meinem Revier weiterverfolgen zu wollen.«
Mit solch einem Ratschlag von ihm hatte ich nicht gerechnet. »Sie glauben mir also? Ich dachte, Sie stehen auf ihrer Seite?«
Inspector Carminati erhob sich und gab damit das Zeichen, dass die Befragung zu Ende war. »Ich mag zwar nur ein Polizist in einem unbedeutenden Winkel dieses Landes sein, aber ich bin kein Idiot, Signorina Brook. Auch ich lese Zeitung. Wenn die Benedicts wirklich an der Operation beteiligt waren, die zur Verhaftung des Grafen von Monte Baldo geführt hat, dann kann ich mir vorstellen, dass seine Mutter womöglich auf Rache sinnt. Hier in der Gegend ist der Graf bekannt wie ein bunter Hund – er hat schon immer zu den Typen gehört, die Ärger machen. Es überrascht mich nicht, dass er irgendwann hinter Schloss und Riegel gelandet ist.«
»Sie werden also …«
Er hob eine Hand hoch und unterbrach mich. »Was immer auch meine persönliche Ansicht sein mag, wir müssen uns an das Gesetz halten. Nach derzeitiger Beweislage haben einzig und allein die Benedicts Straftaten begangen. Ich schlage also vor, Sie halten sich ran und beweisen, dass Ihre Freunde triftige Gründe für ihr Vorgehen hatten.«
Wir verließen das Büro und trafen auf Lily und James Murphy, die an der Anmeldung auf uns warteten.
»Herr im Himmel, Steve, worauf hast du dich da eingelassen?« Der
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