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Calpurnias (R)evolutionäre Entdeckungen

Titel: Calpurnias (R)evolutionäre Entdeckungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacqueline Kelly
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Familie?«, fragte er, während er meine Finger mit der verschwitzten Hand zusammendrückte.
    »Was?«
    »Geht die ganze Familie? Oder nur du, kleine Dame? Bist ja auch wirklich bildhübsch. Eine Zierde fürs Atelier .«
    »Wiederseh’n«, rief ich, machte auf dem Absatz kehrt und rannte hinaus. Niemals würde ich mein kostbares kleines Geheimnis um die Pflanze preisgeben, schon gar nicht ihm gegenüber. Genauso gut konnte man es der ganzen Stadt erzählen.
    Was, wenn sich – Gott bewahre – herausstellen sollte, dass Großpapa sich geirrt hatte? Ich selbst könnte damit leben, wenn er sich getäuscht hätte, aber ich könnte es nicht ertragen, wenn andere Leute sich über ihn lustig machten. Mir war seit Langem aufgefallen, dass er im Ort noch immer hoch angesehen war, weil er vor vielen Jahrzehnten die Cotton Gin und andere Unternehmen aufgebaut hatte, doch gelegentlich hörte man leichten Spott über seine derzeitigen Aktivitäten. Hier und da hatte ich mitbekommen, wie irgendwelche halbgebildeten Witzbolde ihn den »Professor« nannten, in einem Tonfall, den man durchaus als leicht hämisch bezeichnen konnte. Meinem Großvater war es völlig egal, was andere von ihm dachten, aber mir nicht. Mir machte es etwas. Schnell schickte ich meinen treulosen Gedanken ein lautes Und was, wenn er recht hat? hinterher. Natürlich hatte er recht, das musste einfach so sein. In der ganzen Zeit, seit ich so viel mit ihm zusammen war, hatte er sich noch nie geirrt, soweit ich wusste. Sicher, er verlegte vielleicht mal einen Fünfstreifen-Skink (aber wem passierte das nicht von Zeit zu Zeit?), doch was irgendwelche Tatsachen anging, irrte er sich nie.
    Mir war klar, dass die Warterei der nächsten Wochen eine einzige Qual werden würde und dass alles nur viel, viel schlimmer wäre, wenn ich nichts zu tun hätte. Also beschloss ich, mich wie eine Wilde in die Arbeit zu stürzen – Pflanzen und Tiere sammeln, mir naturwissenschaftliche Kenntnisse aneignen, für die Schule arbeiten, egal was –, damit die Zeit schneller verging.
    Was ich nicht vorhersehen konnte, war, welche Art von Arbeit es schließlich werden würde. Nämlich Hausarbeit.

 
     
     
    Vierzehntes Kapitel
     
    DIE KURZE HACKE
     
    Die Natur … fragt nicht nach dem Aussehen, außer wenn es zu irgendeinem Zweck nützlich sein kann.
     
     
    Großpapa und ich ließen unsere Pflanze auch weiterhin kaum aus den Augen. Zu meiner großen Erleichterung gedieh sie gut unter unserer zärtlichen Fürsorge. Erst reckte sie sich ans Licht, dann rankte sie sich entlang der Fensterbank. Großpapa nannte sie unseren »Probanden«. Das sei sonst die Bezeichnung für eine Testperson, an der zum ersten Mal eine bestimmte Untersuchung vorgenommen wird. Jeden Tag brachte ich sie für ein paar Minuten nach draußen, damit die Bienen sie zur Bestäubung anfliegen konnten. Währenddessen hielt ich aufmerksam Wache und verscheuchte sämtliche Grashüpfer und sonstige Pflanzenfresser, die ihr zu nahe zu kommen drohten.
    Daneben wandte ich mich anderen, eigenen Experimenten zu, mit denen ich mich hauptsächlich vor dem Sockenstricken zu Weihnachten drücken wollte. Die Baumwollernte stand vor der Tür, und so dachte ich wieder über das Thema der kurzstieligen Hacke nach, die in unserem Teil der Welt noch immer weit verbreitet war. Großpapa hatte mich gelehrt, dass man dann am meisten lernte, wenn man sich selbst einem Experiment unterzog. Er hatte Vater vor vielen Jahren Gelegenheit gegeben, sich persönlich mit der Hacke zu befassen, indem er ihn damit aufs Feld schickte, wo Vater sich einen ganzen Tag lang damit herumquälte. Wild entschlossen, wie ich war, die Zeit schneller vergehen zu lassen, holte ich mir eine der langstieligen Hacken aus dem Geräteschuppen (kurzstielige waren bei uns alle abgeschafft). Wenn ich sie ziemlich weit unten am Stiel anfasste, dachte ich mir, dann müsste das doch dasselbe sein, wie mit der kurzen Hacke zu arbeiten. Also ging ich zu der Reihe Baumwollpflanzen, die sich am nächsten beim Haus befand, gut fünfzig Schritt hinter der rückwärtigen Veranda. Mutter sagte immer, vornehme Damen hätten einen Rasen und einen Blumengarten; bei anderen Frauen reichten die Baumwollpflanzen bis direkt unters Fensterbrett.
    Die Baumwollkapseln waren prallvoll, ihre wundersame Verwandlung von harten grünen Kapseln zu flauschigen weichen Kugeln war fast abgeschlossen. Bares Geld, das geradewegs aus der Erde wuchs.
    Ich schwang meine Hacke.
    Es war harte Arbeit,

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