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Calpurnias (R)evolutionäre Entdeckungen

Titel: Calpurnias (R)evolutionäre Entdeckungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacqueline Kelly
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zu sehen sein.« Mr. Hofacket machte ein langes Gesicht, bis Großpapa ihm einen Vorschlag machte. »Auch wenn Ihr Siegel auf der Rückseite ist, wird die Welt wissen, dass Sie es waren, der diese Aufnahmen gemacht hat. Und die Fotografie von meiner Enkelin und mir, zur Erinnerung an diesen Tag, dürfen Sie gern auf der Vorderseite stempeln.« Gleichzeitig reichte er ihm drei Silberdollar.
    Der Fotograf steckte die Bilder in braunes Papier und verschnürte das Päckchen. Es wurde Zeit für Großpapa und mich, doch Mr. Hofacket ließ uns nur ungern gehen. Noch als er uns zur Kutsche begleitete, redete er immer weiter, und er bestand darauf, die Schachtel mit der Pflanze zu halten, während ich einstieg. Fasziniert starrte er sie an, so als erwartete er, dass sie gleich zu sprechen anfing. Ich spannte den Sonnenschirm auf und nahm die Pflanze auf den Schoß, Großpapa schnalzte einmal mit der Zunge, und das Pferd setzte sich in Bewegung. Mr. Hofacket stand mitten auf der Straße und rief uns hinterher: »Auf Wiedersehen, und beehren Sie mich bald wieder. Und nicht vergessen – berichten Sie mir, wie es weitergeht! Lassen Sie mich auf jeden Fall wissen, ob den Herrschaften meine Fotografien gefallen.«
    »Sobald wir zu Hause ankommen«, sagte Großpapa, »schreibe ich einen Brief und sende die Fotografien los. Dann können wir nur noch abwarten, was manchmal das Schwerste überhaupt ist. Sei so lieb und gib unserem Pflänzchen noch etwas Wasser, ja?«
    Um einiges von unserer überschüssigen Energie loszuwerden, sangen mein Großvater und ich auf dem langen Weg nach Fentress Seemanns- und Piratenlieder mit schlimmen Wörtern darin. Wenn uns jemand begegnete, stimmten wir daher rasch Kirchenlieder an. Müde und staubig, aber immer noch in Hochstimmung nach den Ereignissen des Tages kamen wir zu Hause an, gerade noch rechtzeitig zum Abendessen. Bevor wir zu den anderen ins Esszimmer gingen, betteten wir die Pflanze noch schnell im Laboratorium zur Nachtruhe.
    Das Abendessen zog sich ewig hin.
    »Was gibt es Neues in Lockhart?«, fragte Vater.
    »Die Kurse für Termingeschäfte mit Baumwolle sind gestiegen, glaube ich«, sagte Großpapa. »Und Calpurnia und ich haben uns fotografieren lassen.«
    »Wirklich?«, fragte Sul Ross und sah mich vorwurfsvoll an. »Wieso darfst du auf ein Foto?«
    »Zur Erinnerung an einen Freudentag«, erklärte Großpapa. Er ließ seinen Blick über die Tafelrunde schweifen. »Calpurnia und ich haben vielleicht eine neue Pflanzenspezies entdeckt.«
    »Wie nett«, sagte Mutter geistesabwesend.
    »Was für eine Pflanze?«, fragte Harry.
    »Bitte reich mir mal die Kartoffeln«, sagte Lamar.
    »Es könnte sich um eine neue Wickenart handeln«, sagte Großpapa.
    »Ach so«, sagte Sam Houston. »Wicke.«
    Ach so! Wut kochte in mir hoch. Am liebsten wäre ich quer über den Tisch auf ihn losgegangen, doch stattdessen schäumte ich nur innerlich stumm vor Zorn während dieses endlosen Essens. Noch nie hatte sich die obligatorische Konversation bei Tisch so oberflächlich angehört. Noch nie hatte ich meine Familie als so beschränkt, so idiotisch, so hinterwäldlerisch empfunden. Die einzige Rettung war mein Vater, der als Viehzüchter einen Sinn für die Bedeutung einer möglichen neuen Pflanzenart hatte und nicht Ach so! sagte, sondern sich erkundigte, ob sie sich als Futterpflanze eignete. Doch ich war zu schlecht gelaunt, um weiter zuzuhören.
    Endlich, endlich war es vorbei, und Großpapa und ich konnten uns in die Bibliothek zurückziehen und die Tür hinter uns schließen. Großpapa nahm einen der winzigen Schlüssel von der Kette an seiner Westentasche, öffnete die verschlossene Schublade an seinem Schreibtisch und nahm einige Bögen seines festen, cremefarbenen Schreibpapiers heraus.
    »Zünde die Lampe an, Calpurnia«, sagte er. »Lass uns etwas Licht in die schattigen Ecken der Terra Incognita werfen. Lass uns das Licht des Wissens hochhalten und einen weiteren Drachen von der Karte vertreiben. Wir werden an die Smithsonian Institution schreiben.«
    Ich hielt ein Streichholz an das Anfeuerholz im Kamin, dann suchte ich weitere Lampen zusammen und stellte sie im engen Halbkreis um Großpapas Löschwiege herum auf. Er tauchte seine Feder ein, starrte einen Moment ins Leere, tauchte die Feder noch einmal ein und begann dann in seiner altmodischen Schrift zu schreiben.
     
    Fentress, den 8. August 1899
    Sehr geehrte Herren!
    Während unserer täglichen Streifzüge durch unseren Winkel von

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