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Calpurnias (R)evolutionäre Entdeckungen

Titel: Calpurnias (R)evolutionäre Entdeckungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacqueline Kelly
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zupfte einen Grashalm aus der Erde.
    »Nein, anscheinend nicht. Aber viele Mädchen haben es schon noch nötig.« Sie sah mich an.
    Ich konnte mit der Frage nicht länger hinterm Berg halten, also nahm ich meinen Mut zusammen. »Muss ich Debütantin werden?«
    »Du bist unsere einzige Tochter, Calpurnia.«
    Ich wollte nicht so unhöflich sein und sie darauf hinweisen, dass sie meine Frage nicht beantwortet hatte. »Und was genau bedeutet das?«
    Mutters Augen leuchteten auf. »Es bedeutet, dass aus einem Mädchen aus gutem Hause eine junge Dame wird, die bereit ist, in die Gesellschaft eingeführt zu werden. Dass sie bereit ist, den ihr zugewiesenen Platz einzunehmen. Dass sie jungen Männern aus guten Familien vorgestellt wird. Es bedeutet Bälle und sonstige Vergnügungen und jedes Mal ein neues Kleid.«
    »Und wie lange dauert das?«, fragte ich.
    »Ein Jahr.«
    »Ein ganzes Jahr!« Jetzt war es mir egal, wie ich mich anhörte. »Und was passiert dann?«
    Mutter sah mich verwirrt an. »Wie meinst du das?«
    »Es dauert ein Jahr, hast du gesagt – und was passiert dann?«
    »Nun, normalerweise hat eine junge Dame bis dahin einen Ehemann gefunden.«
    »Lauter feine Abendgesellschaften also, um Mädchen an den Mann zu bringen.«
    »Ts, ts«, machte Mutter. »So würde ich das nicht ausdrücken.«
    Warum nicht?, fragte ich mich. Es lag doch auf der Hand.
    »Mutter?«
    »Ja, mein Kind?«
    »Heißt das, ich … ich muss Debütantin werden?« Ihre Miene erstarrte. »Ich meine – möchtest du das?«
    Sie betrachtete mich eine Weile. »Callie, ich glaube, wir haben noch genug Zeit, darüber nachzudenken. Aber auf jeden Fall würde ich mich für dich freuen, wenn du die Chance hättest, die mir verwehrt wurde. Viele junge Mädchen wären froh darüber.«
    »Wie denkt Vater denn darüber? Es hört sich ziemlich teuer an – jedes Mal ein neues Kleid und so.«
    Sie sah mich missbilligend an. »Man spricht nicht so über Geld, das gehört sich einfach nicht. Dein Vater lässt es seiner Familie an nichts fehlen, und ich bin sicher, er wäre stolz, dich der guten Gesellschaft vorzustellen.«
    »Hm.« So lagen die Dinge also. Fürs Erste.
    Später fiel mir ein, ich könnte ja auch Großpapa fragen, wie er darüber dachte. Doch gleich wurde mir klar, wie unnötig das war. Seine Meinung in dieser Angelegenheit konnte ich mir gut vorstellen.

 
     
     
    Fünfzehntes Kapitel
     
    EIN MEER AUS
    BAUMWOLLE
     
    Linné hat schon berechnet, dass, wenn eine einjährige Pflanze jährlich nur zwei Samen erzeugte … und ihre Sämlinge im nächsten Jahr wieder zwei gäben u.s.w., sie in zwanzig Jahren schon eine Million Pflanzen liefern würden.
     
     
    Wenige Wochen später traf sich mein Vater mit den übrigen Großgrundbesitzern in der Moose Lodge, wo sie das Datum für den Beginn der Baumwollernte festlegten, die jedes Jahr das wichtigste Ereignis überhaupt in unserer Gegend darstellte.
    Eine Armee aus farbigen Erntehelfern aus drei umliegenden Bezirken, Männer, Frauen und Kinder, sammelte sich auf unserem Land und pflückte vom allerersten Licht bis zur völligen Dunkelheit. Sie unterbrachen ihre Arbeit nur am Mittag, zum Essen und zu einer kurzen Bibellesung durch einen ihrer Prediger.
    Viola rekrutierte drei Frauen, die ihr in der alten Steinküche hinterm Haus beim Kochen helfen sollten. Gewaltige Mengen von Maisbrei, Speck, Bohnen, Brötchen und Sirup verließen in riesigen Körben die Küche, wurden auf Karren verladen und hinaus aufs Feld gefahren, zusammen mit einem Fass frischem Wasser und einem großen Eimer Kaffee. In diesen Wochen übernahm Mutter unsere Küche und kochte für die Familie. Außerdem versorgte sie die Schnitte und Blasen und sonstigen kleineren Verletzungen der Arbeiter, wegen derer man die Leute nicht zu Dr. Walker schickte.
    Harry fuhr den ganzen Tag hin und her, um im Laden Maismehl, Zucker, Weizenmehl und andere Vorräte zu kaufen. Sam Houston und Lamar rannten mit Botschaften vom Waagenhaus zur großen Anzeigetafel, auf der die geernteten Mengen notiert wurden, und manchmal bekamen sie eine Münze geschenkt, die sie sofort im Laden gegen zehn Bonbons oder einen neuen Bleistift eintauschten. Der Posten eines Botenjungen während der Ernte war ausgesprochen begehrt.
    Vater arbeitete jeden Tag bis spät in die Nacht in seinem Büro und kam erst lange nachdem wir alle schlafen gegangen waren nach Hause. Großpapa war der Einzige, der von sämtlichen Pflichten ausgenommen war. Er hatte das Unternehmen

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