Cambion Chronicles 1
Ich habe wirklich ein paar Fragen.«
Mit vollgestopften Hamsterbacken wartete Caleb auf den Beginn des Verhörs. Nachdem er geräuschvoll geschluckt hatte, meckerte er: »Du hast doch wohl nicht wirklich gerade Fragekarten rausgeholt?«
»Ich gehe Befragungen immer gern gut vorbereitet und gründlich an, Mr Baker.« Ich mischte die Karten.
Er warf den Kopf in den Nacken und atmete aus. »Schön, fang an.«
»Okay.« Ich räusperte mich. »Warum ein Herzinfarkt? Warum fallen sie nicht einfach tot um?«
Sein rastloser Blick schoss zu den Gästen in unserer Nähe, dann lehnte er sich zu mir herüber. »Es hat wenig mit dem eigentlichen Herzen zu tun, es geht mehr um die Belastung. Meistens werden die Frauen nur ohnmächtig oder sind ein paar Stunden bewusstlos, bis ihre Energiereserven wieder aufgeladen sind. Der Körper produziert ständig Energie, ein einfacher Kuss hat deswegen keine so starke Wirkung. Wenn der Kuss tiefer geht, versucht der Körper dagegen anzukämpfen und strengt sich an, um genug Energie zu erzeugen. Gelingt ihm das nicht, fällt der Blutdruck ab, und das führt zu einem Schock und möglicherweise auch zum Herzstillstand.«
»In welchem Zeitraum?«, fragte ich.
»Die Verzögerung hängt davon ab, wie viel Energie entzogen wird, und auch von der jeweiligen Person. Es könnte sofort passieren, wenn zu viel genommen wurde, oder sich über etwa vierzig Minuten hinziehen, das ist dann unangenehm.«
»Das Mädchen im Buchladen hatte erst Stunden nach eurem Kuss einen Herzinfarkt.«
»Nein, etwa eine Stunde danach. Sie hat mich zweimal geküsst. Das erste Mal, als du vorbeikamst, und das zweite Mal, als wir zumachten. Der zweite Kuss war länger als der erste. Sie hatte sich im Lager versteckt und auf mich gewartet. Als ich abschloss, schlich sie sich von hinten an mich ran und … «
»… guten Appetit«, beendete ich den Satz.
»Ja. Ich konnte sie schließlich abschütteln und brachte sie nach draußen. Sie muss im Auto einen Anfall bekommen haben, als wir bei unserer Bücherrunde waren.«
»Wenn du wusstest, was passieren kann, warum hast du ihr dann nicht geholfen?«
»Was glaubst du denn, wer den Krankenwagen gerufen hat? Irgendwann ist eben Schluss, und sie brauchen ärztliche Hilfe.« Sein Körper verkrampfte sich bei seiner eigenen furchtbaren Aussage. Zornesfalten erschienen auf seiner Stirn und verschwanden langsam wieder.
Ich bemühte mich, ruhig zu atmen und mir nicht vorzustellen, was hätte passieren können. »Was zieht diese Frauen so an?«
»Zum einen meine Augen. Sie mögen Violett.« Er klimperte mit den Wimpern.
Ich kicherte. »Apropos, an dem Abend auf Robbies Party habe ich deine Augen leuchten sehen. Das ist schon mal passiert, bei den Zeitschriften im Buchladen. Ich dachte, ich hätte es mir eingebildet, aber als du bei mir warst, hast du es noch mal gemacht. Warum ist das so?«
»Wenn der Geist Angst hat oder aufgeregt ist, zeigt er sich. Das passiert, sobald ich von jemandem getrunken habe. Aber davon abgesehen, kommt es normalerweise dazu, wenn ich wütend bin oder so richtig spitz. Es dauert nur einen Moment. Sie verändern ihre Farbe, von Indigo nach Lavendel.«
»Das funktioniert also wie bei einem Stimmungsring, der je nach Laune die Farbe wechselt. Das … ich … das ist echt gruselig.« Obwohl das total seltsam war, konnte ich Caleb dank dieser kleinen Information plötzlich viel besser verstehen. Ich sah wieder auf meine Karten, um etwas zu tun zu haben. »Du hast gesagt, dass dein, äh, Geist, keinen Namen hat. Heißt das, er redet mit dir?«
»Eigentlich nicht – jedenfalls nicht mit Worten«, sagte er. »Man sieht ja auch, ob ein Hund fröhlich ist, Angst hat oder rausmuss. Obwohl er nicht reden kann, nur an seinen Signalen und Hinweisen. Ich kann seine Stimmung spüren, so kommunizieren wir. Er spürt meine Gefühle und reagiert darauf.«
»Dieses Erkennungsding funktioniert über Gefühle?«
»Jede Person löst eine andere Reaktion aus. Wenn du deine Eltern siehst, fühlst du etwas Bestimmtes, wenn du jemanden siehst, den du nicht leiden kannst, fühlst du etwas ganz anderes. Mein Geist versucht, sich an jeden Einzelnen zu erinnern.«
»Dann ist es also so was wie ›Oh, ich fühle mich unbehaglich, und ich kenne dich nicht, also muss es wohl Zeit fürs Mittagessen sein‹?«, fasste ich zusammen.
Er zuckte mit den Achseln. »Im Prinzip ja.«
Mein Blick wanderte zu jedem Gegenstand in unserer Nische, außer zu dem Kerl mir gegenüber.
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