Cambion Chronicles 1
für Frauen.
Was konnte ein Mann in dieser Stadt unternehmen, um sich zu schützen? Ich forschte nach Kampfkunstlehrern und druckte Infos über ein paar Kurse im Umkreis aus. Bei der Arbeit suchte ich nach Büchern über Selbstverteidigung, fand aber nur das Buch, das ich bei unserer nächsten monatlichen Bücherrunde vorstellen wollte. Ich wusste, dass Caleb zu stolz war, um Hilfe zu erbitten. Seine Bewältigungsstrategien hießen Vermeiden und Verleugnen. Um ihn zum Mitmachen zu bewegen, würde ich also mit eiserner Faust im Samthandschuh vorgehen müssen.
Am nächsten Tag beschloss ich, die militärische Nummer abzuziehen. Ich fragte Nadine nach seiner Adresse und kreuzte persönlich bei ihm auf. Er wohnte in einem einfachen Reihenhaus in einer dieser Siedlungen, wo die Gärten alle gleich aussehen. Während ich das Haus umschlich, erfuhr ich eine Menge über ihn. Zum Beispiel, dass er seinen Müll trennte, dass er seine Zuckersucht auch zu Hause auslebte und dass er die neugierigsten Nachbarn der Welt hatte. Andererseits sah es ja auch ziemlich verdächtig aus, wie ich so zum Fenster hineinspähte.
Dienstags hatte er frei, und der Jeep parkte vor dem Haus, also wusste ich, dass er zu Hause war. Nach dem fünften Klopfen trat ich gegen die Tür. Falls er davon noch nicht richtig wach geworden war, gab ihm das Pfeifentrillern, kaum dass er die Tür öffnete, den Rest.
Verdutzt und desorientiert stolperte er nach hinten, und ich nutzte die Gelegenheit, mich selbst hereinzubitten.
Er schüttelte die Benommenheit ab und machte die Tür zu. »Was machst du denn hier?«
»Ich werde dir beim Kämpfen helfen.«
»Um halb elf Uhr morgens?«
»Je früher, desto besser. Jetzt zieh dich an. Wir sind in einer halben Stunde mit Dougie verabredet.« Ich hielt kurz inne, um seine Klamotten abzuchecken, die er mir sicher lieber nicht gezeigt hätte. Mit seinen zerzausten Haaren, dem zerknitterten T-Shirt und den karierten Boxershorts sah er keinen Tag älter aus als zwölf.
Peinlich berührt von seinem Aufzug zupfte er an seinem T-Shirt. »Ich bin immer noch neben der Spur wegen Sonntagabend. Ich will mich einfach nur ausruhen, Cornflakes essen und Fernsehen gucken.«
»Tja, Pech gehabt.« Ich blies wieder in die Trillerpfeife. »Willst du nun, dass ich dir bei der Selbstverteidigung helfe, oder was?«
Er beäugte mich misstrauisch. »Nein.«
»Egal, ich mach’s trotzdem. Nadine und ich werden dir beibringen, wie du deinen Mitbewohner unter Kontrolle kriegst.«
»Nadine? Was … «
»So sieht’s aus, also zieh dich an, und dann auf in den Kampf.«
Er rieb sich das Gesicht und versuchte, die Spinnweben aus dem Kopf zu bekommen. »Hör mal, ich weiß deine Hilfe ja zu schätzen und so, aber du hast überhaupt keine Ahnung von der Sache. Ich schaffe das allein.«
»Wenn du das allein schaffen würdest, würden die Frauen nicht umfallen wie die Fliegen.« Nachdem ich nun seine volle Aufmerksamkeit hatte, fuhr ich fort: »Ich will dir ja gern glauben. Und irgendwie versuche ich immer noch, dich getrennt von Capone zu sehen, aber das funktioniert nicht. Du weißt das besser als ich. Ich will dir helfen. Wenn du es nicht für dich tust, dann tu es für mich. Denn wenn du es nicht tust, dann siehst du mich heute zum letzten Mal.«
Man hätte eine Stecknadel fallen hören können.
Mir wurde klar, dass Caleb auf Drohungen nicht ansprang, und er bekam auch keinen Tobsuchtsanfall. Stattdessen machte er dicht, was noch viel schlimmer war. Unter allen furchteinflößenden Momenten in seiner Nähe belegte der eisige Blick, mit dem er mich anstarrte, eindeutig Platz eins.
Eine vernichtende Distanziertheit verdüsterte seine Augen und ließ die Raumtemperatur um mindestens fünf Grad fallen. Die Zeit stand still, während er die Vorteile und Nachteile meiner Anwesenheit in seinem Leben abwägte. Das dauerte wesentlich länger, als mir lieb war. Erst als er eine Entscheidung getroffen hatte, bemerkte ich, dass ich den Atem angehalten hatte.
»Kann ich wenigstens erst ein paar Cornflakes essen?«, fragte er durch und durch genervt.
»Nein. Geh dich jetzt anziehen.«
»Seit wann hast du denn diesen Kommandoton drauf?«
»Seit ich herausgefunden habe, dass du drauf stehst. Jetzt geh. Wir haben viel Arbeit vor uns.«
Leise vor sich hinfluchend verschwand er nach oben.
Um mir die Zeit zu vertreiben, schaute ich mich ausgiebig um. Es sah aus wie mitten in einem Rave: Leuchtstäbe, Lichtanlagen, Sitzsäcke und ein Wandregal
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