Cambion Chronicles 1
senkte den Blick auf ihre Füße. »Ich habe mich noch gar nicht für deine Hilfe an dem Abend bedankt.«
»Schon gut.«
»Ich meine es ernst. Danke. Ich will gar nicht dran denken, was noch alles hätte passieren können. Ich hatte noch nie Alkohol getrunken, ich wollte es nur mal ausprobieren.«
Ich nickte. »Ich persönlich mag keinen Alkohol, vor allem kein Bier. Schmeckt wie Gummibänder.«
»Dad war echt angepisst, als er es an mir gerochen hat.« Alicia erschauderte bei der Erinnerung daran.
»Ich kenne mich aus mit Bestrafungen. Nach allem, was ich gelernt habe, ist es so: je härter die Strafe, desto mehr Angst hatten sie um dich. Als ich sieben war, bin ich meiner Mom mal im Einkaufszentrum weggelaufen, und sie hörte gar nicht mehr auf zu heulen, selbst während sie mich verhaute.«
Alicia zuckte mit den Achseln. »Wird wohl so sein. Weißt du, was am seltsamsten ist? Plötzlich quatschen mich alle an. Sie haben gehört, dass ich die Letzte war, die Garrett lebend gesehen hat, und jetzt wollen sie meine Geschichte hören.«
»Je toter, desto berühmter. Nutze deinen Ruhm weise, Alicia.«
Ein Lächeln umspielte ihre Lippen.
Ich sah nach unten und zeigte auf ihre Tüte. »Und, was hast du da drin?«
»Das dritte Geist -Buch. Da ich Hausarrest habe, brauche ich was Anständiges zu lesen.«
Ich stöhnte. »Ich verstehe nicht, was alle an diesen Büchern finden. Es ist ungesund, sich so da reinzusteigern.«
»Du willst das Buch ja nicht mal aufschlagen, also kannst du es auch nicht kritisieren.«
»Alicia, auch wenn ich es lektoriert hätte, würde meine Meinung euch Fans trotzdem nicht interessieren. Ich meine, was ist denn so toll daran? Hat die Autorin Crack zwischen die Seiten gestreut?«
»Es liest sich einfach super. Man wird richtig hineingesogen, und die Liebesgeschichte ist so traurig und so. Kannst du dir vorstellen, in ein übernatürliches Wesen verliebt zu sein, das du weder anfassen noch küssen darfst? Es knistert die ganze Zeit, aber keiner von beiden kann irgendetwas tun.«
Ich fand das plötzlich gar nicht mehr witzig. Die Geschichte war doch etwas zu nah an der Realität. Ich wagte nicht an die Möglichkeit zu glauben, dass ein Buch mir Einsichten in das Zusammensein mit einem Cambion verschaffen könnte. Ich war zwar irgendwie neugierig, aber so neugierig nun auch wieder nicht.
Allein für den Ausdruck auf Alicias Gesicht hatte sich die Diskussion allerdings schon gelohnt. Das lebhafte Leuchten kehrte in ihre Augen zurück, während sie sich lang und breit über den männlichen Helden ausließ. Sie öffnete die Tüte und gab mir das Buch.
Ich überflog eine Seite und las aufs Geratewohl ein paar einzelne Passagen. Das Mädchen in mir kicherte über die schmalzigen Dialoge und die Bekenntnisse unsterblicher Liebe. Caleb sagte nie so etwas Süßes zu mir. Eine Minute lang dachte ich tatsächlich, das Buch sei vielleicht gar nicht so schlecht. Wenn es ein Lächeln auf Alicias Gesicht zaubern und sie dazu bringen konnte, freiwillig zu lesen, dann war es ja nicht völlig unnütz.
Da kam eine Frau in Haube und Schürze vorbei, die die Ehefrau von John Adams, des zweiten Präsidenten der USA, verkörperte. Sie lugte über meine Schulter. »Oh, ich liebe dieses Buch. Nicolas Damien ist so scharf!«
»Ja, oder?« Alicias Augen weiteten sich, als hätte sie ihre verlorene Seelenverwandte gefunden.
»Ich habe im Internet gelesen, dass sie einen Film daraus machen. Unglaublich, oder? Ich freue mich schon so!« Die Frau hüpfte in ihren Schnallenschuhen auf und ab.
Alicia blieb der Mund offen stehen. »Ach nee!«
»Ach doch! Hier, ich google das mal schnell.« Die Frau kramte in ihrem Petticoat und zog ihren Blackberry heraus.
Und damit endete meine vorübergehende Geistesschwäche. Es war eine Sache, wenn Kinder wegen so was ausflippten, aber Erwachsene … Ich gab Alicia das Buch zurück, ging wieder Richtung Laden und überließ die beiden Geisterjägerinnen ihrem Erfahrungsaustausch.
Am Haupteingang spürte ich, wie mich jemand beobachtete. Das Gefühl war so stark, dass ich über die Schulter zum benachbarten Gebäude schaute. Ein Mann stand vor einem Damenbekleidungsgeschäft und begaffte mich mit unverhohlener Faszination. Es hätte nur noch gefehlt, dass er sich dabei die Lippen leckte, die im Übrigen zu einem Lächeln verzogen waren, das ich überall erkannt hätte.
»Caleb?« Ich ging näher und versuchte, sein Gesicht deutlicher zu erkennen, während ich mich durch
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