Cambion Chronicles - Golden wie das Morgenlicht (German Edition)
Wir wollen seine Familie unterstützen, solange die Polizei weiter nach ihm sucht.« Courtney B. drehte sich nach links zu der Blonden mit den raspelkurzen Haaren um. »Courtney G. arbeitet an einer fantastischen Collage mit lauter Fotos von ihm.« Dann schaute sie zur Brünetten rechts von ihr hinüber, deren Haut eine einzige Sommersprosse war. »Und Courtney C. organisiert so eine Art Talentwettbewerb, um die Leute drauf aufmerksam zu machen. Der Schulleiter hat schon erlaubt, dass wir nächste Woche eine kleine Solidaritätsveranstaltung durchführen.«
»Fantastisch«, sagte ich emotionslos. Die Aussicht auf eine Musiknummer mitten am Tag erzeugte nicht gerade Begeisterungsstürme in mir.
Courtney G. legte den Kopf schief und sah mich aus großen Augen an wie ein verwirrter Collie. »Deine Haare haben aber echt Volumen. Hast du Extensions?«
Ich musterte sie von oben bis unten. »Nein. Du?«
»Kann ich mal anfassen?«
»Nicht, wenn du deine Hand noch brauchst«, schoss ich zurück.
Courtney B. trat zu mir und zeigte mir die Unterschriftenliste auf ihrem Klemmbrett. »Na, jedenfalls musst du hier und da unterschreiben, und dieses Kästchen kannst du ankreuzen, wenn du Geld für den Geschenkekorb spenden willst.«
Ich starrte sie verständnislos an. »Geschenkekorb?«
Courtney B. nickte. »Richtig schick. Alle anderen beteiligen sich auch und – «
»Gib mir einfach die Liste.« Ich schnappte mir das Klemmbrett und kritzelte meinen Namen in ein leeres Feld unter fünfzig andere Unterschriften. Es entging mir nicht, dass es überwiegend weibliche Namen waren. Tobias hatte bei den Mädchen in meiner Schule definitiv einen bleibenden Eindruck hinterlassen.
Als ich die Liste zurückgab, dachte ich, unser kleines Gespräch sei damit beendet, aber Courtney B. blieb stehen und sah mich mit einem Ausdruck in ihren kalten grauen Augen an, den man für Mitgefühl hätte halten können. Aber ich wusste es besser.
»Das muss schlimm für dich sein, Sonya, nicht zu wissen, ob dein Freund noch lebt oder nicht. Ist ja schon das zweite Mal, dass deinem Typen plötzlich was Schlimmes zustößt. Echt seltsam. Aber wir tun alles, damit Malik unversehrt wieder nach Hause kommt. Du sollst nur wissen, dass wir auch für dich beten.« Die drei bekreuzigten sich simultan.
Mit dem Klemmbrett vor der Brust, beugte sie sich zu mir und sagte: »Ich habe gehört, Caleb ist raus aus dem Krankenhaus, also willst du sicher gar nicht, dass Malik allzu bald wiederkommt, stimmt’s? Verstehe schon.« Sie zwinkerte mir verschwörerisch zu.
Ich hatte es echt satt, mich ständig zu wiederholen. Ich verspürte den Drang, damit herauszuplatzen, dass ein Inkubus jetzt der Kapitän der Basketballmannschaft war und dass wir damit dieses Jahr wenigstens mal eine vernünftige Chance hatten, die Regionalmeisterschaften zu gewinnen. Danach würde es mir zwar mit Sicherheit besser gehen, aber es würde nur meinen Ruf als Freak untermauern. Schließlich hatte ich keinerlei Beweise für meine Behauptungen, jedenfalls nichts, was vor Gericht Bestand hätte.
Zum Glück erlöste mich in diesem Augenblick die Schulglocke.
»Oh, wir müssen. Danke noch mal, Simone.« Winkend tänzelte Courtney mit ihren beiden getreuen Schoßhündchen im Schlepptau davon.
Die erste Stunde verlief ohne Zwischenfälle und auch ohne meine volle Aufmerksamkeit. Ich hatte Wichtigeres im Kopf, zum Beispiel eine Liste von Fragen, auf die ich dringend Antworten brauchte. Nummer eins: Wo zum Teufel steckte Tobias? Das interessierte mich nicht etwa, weil ich ihn so mochte, sondern aus reinem Überlebenswillen. In der Schlacht muss man dem Feind immer einen Schritt voraus sein.
In Politik drehte ich mich immer wieder um und starrte den leeren Tisch in der letzten Reihe an. Fast erwartete ich, dass er sich in einer Rauchwolke materialisieren oder verspätet in seinem Malik-Outfit aufkreuzen würde. Ich fand, wenn man schon jemandem die Identität klaute, sollte man wenigstens den Anstand besitzen, es konsequent durchzuziehen und auch zum Unterricht zu kommen.
Als die Mittagspause nahte, saß ich wie auf heißen Kohlen. Meine Neugier grummelte lauter in mir als mein Magen. Statt mich zu den Einzelgängern zu setzen wie sonst, schlenderte ich hinter die feindlichen Linien auf die beliebtere Seite der Cafeteria, auf der Jagd nach spiritueller Nahrung. Meine Sitznachbarn wunderten sich, dass ich die Seiten wechselte, aber ich versicherte ihnen, dass es nur vorübergehend sei. Ich
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