Cambion Chronicles - Smaragdgrün wie die Dämmerung (German Edition)
einer Ruhestörung in Calebs Nachbarschaft. Zeugen hatten beobachtet, wie ich und zwei Männer vom Grundstück weggerannt waren. Jemand hatte mein Autokennzeichen notiert, was zu diesem reizenden Hausbesuch führte. Ich wurde nicht verhaftet, aber es waren eine Menge Fragen offen. Ich antwortete gewissenhaft und benutzte meine Anziehungskraft, um die nicht ganz logischen Teile zu glätten. Nie hatte es einen passenderen Moment gegeben, um mich meiner Kräfte zu bedienen.
Mom hielt die ganze Zeit meine Hand und betupfte die Kratzer an meinem Arm mit feuchten Wattebäuschen. Ein wohliges Gefühl von Empfindungslosigkeit durchflutete mich, als ich mit den Augen den seltsamen Formen folgte, die überall im Zimmer aus dem Nichts entstanden. Mühsam konzentrierte ich mich wieder, um nicht in den dunklen Strudel gerissen zu werden, der das Wohnzimmer erfüllte. Das war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt für Panikattacken und Halluzinationen, nicht vor so vielen Zeugen.
»Und Sie sagen, Sie wüssten nicht, wo sich Caleb Baker im Moment befindet?« Officer Rolland schielte nach mir, als versuchte er, einen versteckten Code von meinem Gesicht abzulesen. Er rutschte auf seinem Sessel herum, als erwartete er, dass etwas heraussprang und ihn angriff. Ich erinnerte mich an ihn und einige der anderen Polizisten, die in der Diele herumlungerten. Wichtiger noch, sie erinnerten sich an mich und daran, was im vergangenen Sommer in diesem Haus geschehen war.
»Nein. Ich habe ihn gesucht, aber dann kam der Sturm, und ich musste nach Hause.« Ich machte ein ausdrucksloses Gesicht und unterdrückte den Impuls, zum Obergeschoss hochzusehen.
Es war Moms Idee gewesen, Caleb zu verstecken. Er war nicht in der Verfassung, ins Krankenhaus zurückzukehren. Er musste einen guten Grund gehabt haben, mit nichts als einem dünnen Hemd bekleidet von dort abzuhauen, und der letzte Zwischenfall hatte deutlich gezeigt, dass niemand in nächster Zeit dieses Haus verlassen sollte.
»War sonst noch jemand in seinem Haus?«, fragte der Polizist.
Ich hielt mich ans Drehbuch und schüttelte den Kopf. »Nein. Nur sein Bruder und ich.«
Officer Rolland blickte finster drein und kritzelte etwas auf seinen Notizblock. »Hmm. Wenn ich das richtig verstehe, sind seine Brüder in der Stadt, um sich um ihn zu kümmern. Wissen Sie, wo sie sich aufhalten?«
»Nein. Aber sie machen sich auch Sorgen um Caleb. Sie dachten, er sei vielleicht vergiftet worden und deswegen ins Krankenhaus gekommen. Sir, ist Caleb in Schwierigkeiten?«, fragte ich.
Die Miene des Polizisten blieb undurchdringlich. »Wir müssen ihm nur ein paar Fragen stellen, sonst nichts. Vor einem Monat hat Mr Baker einen Fall von Vandalismus an seinem Auto gemeldet, und nun wurde sein Haus zerstört. Es gab keine Sprengkörper, aber was auch immer es war, es hat im Innern des Hauses seinen Anfang genommen. Kennen Sie jemanden, der einen Groll gegen ihn hegen könnte?«
Allerdings. »Nein, nicht dass ich wüsste.«
Zu meiner großen Erleichterung griff Mom an dieser Stelle ein. »Ähm, meine Herren, könnten wir das vielleicht morgen früh fortsetzen? Sie scheint einen Schock erlitten zu haben und kann im Moment keine richtige Aussage machen.«
»Schon in Ordnung. Ich denke, wir sind fertig. Wenn wir noch Fragen haben, melden wir uns.« Mit dieser beiläufigen Androhung zurückzukehren verließ der Polizist den Raum. Seine Eile beim Hinausgehen deutete allerdings darauf hin, dass das der letzte Ort war, den er noch mal besuchen wollte.
Ich barg mein Gesicht in den Händen und schloss die Augen. Ich wollte von der Außenwelt nichts mehr hören und sehen. Vielleicht hatte meine Stiefmutter ja recht, und ich hatte wirklich schlechtes Karma, noch mehr als ein durchschnittlicher Cambion. Die Leute spürten es und waren nur zu wohlerzogen, es anzusprechen. Doch das war erst der Anfang einer Reihe von Verhören. Mom würde die Wahrheit wissen wollen, und jetzt konnte ich mich nicht mehr rausreden.
»Samara?« Mom strich mir über den Kopf.
Ich sah auf und bereute es im selben Moment. Das ganze Zimmer verwandelte sich in ein Gemälde von Salvador Dalí – schmelzende Bilder und tropfende Sessel. Moms Gesichtszüge verzogen sich wie heißes Wachs und verschmierten die faden, vanillegelben Wände, die plötzlich ihre Tiefe verloren. Nadine lag immer noch tot auf dem Boden, das Haar auf dem Teppich ausgebreitet wie verstreutes Heu. Es löste nichts in mir aus, denn auch diese Sinneseindrücke waren
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