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Cambion Chronicles - Smaragdgrün wie die Dämmerung (German Edition)

Cambion Chronicles - Smaragdgrün wie die Dämmerung (German Edition)

Titel: Cambion Chronicles - Smaragdgrün wie die Dämmerung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaime Reed
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noch weh?«
    »Überall.« Er schluckte schwer. »Aber eher innen.«
    Mom runzelte die Stirn und strich ihm die verschwitzten Strähnen aus dem Gesicht. »Darf ich dich in den Arm nehmen?«
    Calebs Lippen zitterten, als er wimmerte: »Bitte.«
    Mom drückte ihn fest an ihre Brust und wiegte ihn vor und zurück, wie sie es unzählige Male mit mir getan hatte. Und wie ich fand er bei ihr Halt und Ruhe. Sie verströmte eine Sicherheit, die selbst Monster in Schach hielt. Diese lauerten zwar im Schatten und huschten umher, doch sie wagten es nicht, näher zu kommen.
    Caleb hörte auf, sich zu wehren, und überließ sich dem stillen Frieden. Sein gleichmäßiger Atem verriet uns, dass Mom wieder einmal ein Wunder vollbracht hatte, und ich war unwahrscheinlich stolz auf sie.
    Calebs Brüder betrachteten das Schauspiel in stummer Ehrfurcht. Diese Frau in all ihrer menschlichen Zerbrechlichkeit hatte erreicht, was keinem übernatürlichen Wesen im Zimmer gelungen war. Die Ironie des Ganzen blieb mir nicht verborgen, und ich fragte mich, ob wohl auch sie eine Farbe besaß.
    Konnte die Nacht noch merkwürdiger und chaotischer werden? Ich ließ meinen Blick durchs Zimmer schweifen, und alles sah vertraut, aber sehr ordentlich aus. Gastgeschenke, Geschirr, blutige Bandagen und Müll waren weggeräumt, und die Möbel standen wieder an ihrem Platz. Das Aufräumen musste Stunden gedauert haben, was darauf hindeutete, dass zwischen dem Thanksgiving-Essen und jetzt eine beträchtliche Zeitspanne verstrichen sein musste. Es fühlte sich surreal an, und benebelt, wie ich war, konnte ich kaum glauben, dass ich heute Abend das Haus verlassen hatte. Die jaulenden Sirenen draußen erzählten jedoch eine andere Geschichte.
    Rote und blaue Blinklichter strichen über den Rasen und markierten ihn wieder mal als Tatort. Köpfe spähten hinter gerafften Vorhängen hervor, wagemutigere Schaulustige traten in Mänteln und Hausschuhen vor die Tür, um das Spektakel zu genießen.
    »Muss wohl ein vereinzelter Tornado gewesen sein. Das war nicht das einzige betroffene Gebiet. Die Schäden reichen von hier bis hinter die Interstate 199. Sehr merkwürdige Sache. Der Wetterbericht hatte klaren Himmel bis Mundee vorausgesagt«, erzählte einer der Polizisten Mrs Sherwood, der Nachbarin mit dem Frettchengesicht zwei Häuser weiter.
    Ihr räudiger grauer Pudel zitterte unter ihrem Arm. Das arme Tier, das nur als Alibi diente, die Nachbarn auszuspionieren, sah in der Kälte so elend aus, wie ich mich fühlte. Mrs Sherwood war nicht die einzige Sensationsgierige. Auch andere Anwohner wählten just diesen Augenblick, um ihre Autos zu enteisen und den Müll rauszubringen.
    Zweimal in einem Jahr hatte die Polizei diesen ruhigen, unverdächtigen Häuserblock mitten in der Nacht aus dem Schlaf gerissen, und natürlich minderte das den Immobilienwert des Viertels. Noch ein Stigma, von dem meine Mom und ich uns erst wieder rein waschen mussten.
    Ich kicherte verbittert über das Gemurmel und die fehlgeleiteten Erklärungsversuche. Die Menschen halten sich gern an klare Fakten, auch wenn das Bewegungsmuster des besagten Tornados so unnatürlich war, dass man ihm fast einen eigenen Willen hätte unterstellen können. Die Nachbarn nickten und warfen misstrauische Blicke auf unser hässliches weißes Haus mit der abblätternden Farbe und der zerdrückten Getränkedose davor, die vage an ein Auto erinnerte.
    Der Abschleppheini drehte den Wagen geräuschvoll richtig herum. Die Ketten klirrten, als sich der Riemen unter der Achse spannte und der Kran das zerknautschte Wrack in die Höhe hob. Der Abschlepptyp zog seine tief hängenden Jeans hoch, rotzte in die Einfahrt und lehnte sich gegen die Tür seines Lasters. Er schleppte zwei Jahre Geizen und Sparen ab wie etwas, das er in den Wäldern geschossen hatte. So sahen nun mal die Beileidsbekundungen dieses verlotterten Bestattungsunternehmers aus, den der ständige Umgang mit der Zerstörung schon völlig abgestumpft hatte. Der hätte Nadine gefallen.
    Mein Augenlid begann zu zucken und brachte meine ganze rechte Gesichtshälfte zum Pulsieren. Ich beobachtete die barbarische Zeremonie, bis eine warme Hand meine Schulter berührte. »Komm, Schätzchen, setz dich zu mir. Wir müssen reden«, sagte Mom.
    Ich wandte mich von der einen verheerenden Sache ab und sah mich der nächsten gegenüber.
    Mom führte mich zum Sofa, wo ich einem unangenehmen, wenn auch höflichen Verhör unterzogen wurde. Die Polizei hatte Fragen zu

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