Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cambion Chronicles - Smaragdgrün wie die Dämmerung (German Edition)

Cambion Chronicles - Smaragdgrün wie die Dämmerung (German Edition)

Titel: Cambion Chronicles - Smaragdgrün wie die Dämmerung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaime Reed
Vom Netzwerk:
innen gegen die Tür und überließ mich der Zentralheizung und dem Gefühl von Sicherheit.
    Mom kam angelaufen und betastete meine Wange und meine staubbedeckten Haare. Bei jeder neuen Verletzung, die sie entdeckte, zuckte sie zusammen. Ihr Dutt hatte sich gelöst, und braune Locken fielen um ihr rundes, engelsgleiches Gesicht. Ihre Begrüßung war dagegen alles andere als engelsgleich. Ich hörte sie in der schrillen Tonlage äußerster Besorgnis reden, verstand jedoch ihre Worte nicht.
    Etwas Großes bewegte sich draußen laut genug, um mich aus meiner Trance zu wecken. Metall knirschte, als es erst zusammengedrückt und dann auseinandergerissen wurde. Ich suchte nach der Quelle des Lärms, und es brach mir das Herz, als ich aus dem Fenster sah.
    Müll, Gartenmöbel und Weihnachtsdekoration flogen über den Rasen und tanzten zu dem chaotischen Beat des Windes. Der dunkle Trichter, der über das Gras wirbelte, grub sich unter die Reifen meines Autos.
    Der Wagen stieg in die Luft, als wäre er ein Matchboxauto, und plumpste dann wieder zu Boden. Ich schloss die Augen, doch ich hörte den Aufprall, das Splittern von Glas, das Geschepper abspringender Radkappen.
    Das Gebot der Unauffälligkeit schien für Tobias nicht zu gelten, und sein Tobsuchtsanfall war spektakulär. Ich musste meinem Widersacher Respekt zollen. Er wusste wirklich, wie er am besten unter die Gürtellinie schlug, er kannte all meine Schwächen. Ich hielt meine Gefühle im Zaum und versuchte, meinen Verstand dazu zu bringen, sie nicht zu verraten. Ich atmete flach und stoßweise, mein Körper zitterte, aber es fiel keine Träne. Das ließ ich nicht zu. Er würde es hören.

21
    E ine Frage, die sich Leute in dramatischen Situationen immer stellen, lautet: »Wie konnte das passieren?« Als weigerte sich der Verstand, die Botschaft anzunehmen, die die Augen ihm schicken.
    Diese Frage spukte auch mir im Kopf herum, und nur eine gute Antwort würde mich aus meiner Erstarrung befreien können. Ich starrte bewegungslos aus dem Fenster, das Gesicht gegen die Scheibe gedrückt, und wartete darauf, dass die Lähmung abklang.
    Mein ganzer Stolz, mein Ein und Alles, nicht neuwertig, aber für mich etwas ganz Neues, lag auf dem Dach im Kies der Einfahrt. Die Räder ragten in den Himmel wie die Beine eines toten Insekts. Weiße Dampfschwaden schossen aus dem zermalmten Motor, als das Auto zusammengedrückt wurde wie in einer gigantischen Müllpresse. Tobias benahm sich wie ein großes Kind, das seine Wut an meinem Spielzeug ausließ.
    Nach seinem Wutanfall zog er endlich ab und ließ uns mit den Überresten seines Zorns sitzen. Ich wusste, dass das nur ein Vorgeschmack auf den Schaden gewesen war, den er anrichten konnte, nicht mehr als ein Warnschuss. Der nächste Zusammenstoß würde nicht so glimpflich ablaufen. Ich freute mich schon sehr auf den nächsten Schultag.
    Ein Heulen durchbrach die Stille im Raum. Ich sprang ein paar Schritte zurück und griff mir an die pochende Brust. Mom zog mich hinter ihren Rücken, aber ich erhaschte dennoch einen Blick auf die Quelle des Geräuschs.
    Caleb weilte wieder unter den Lebenden und lag strampelnd und schreiend auf dem Wohnzimmerboden. Seine Haut war wachsbleich, mit Ausnahme der aufgedunsenen roten Augenpartie. Die Brüder bemühten sich, seine wild rudernden Arme und Beine zu fassen zu bekommen. Michael und Haden hievten ihn auf das Sofa zurück. Ich wusste nicht, wer gerade die Oberhand hatte, Caleb oder Capone, aber beide litten gemeinsam, und ich teilte ihren Schmerz. Tobias’ Energie war versiegt und hatte Caleb wie gestrandet zurückgelassen. Auch wenn Capone ihm Superkräfte und übermenschliche Beweglichkeit verlieh, war Caleb immer noch ein Mensch und litt unter den Nachwirkungen des Kampfes.
    Obwohl es nicht mein Körper und meine Schmerzen waren, das Wimmern und die Tränen stammten auf jeden Fall von mir. Ich hatte Geschichten über amputierte Patienten gehört, die ihre fehlenden Gliedmaßen noch Jahre nach der Operation spürten. Auch ich fühlte so einen Phantomschmerz, ein dunkles Pochen ohne wirkliche Quelle. Ich stützte mich an der Wand ab und zählte die Sekunden, bis es abklang.
    »Feuer! Brennt. Wie Feuer!«, knurrte Caleb zwischen zwei Atemzügen. Schweiß durchnässte seine Kleidung.
    Als Haden seine Füße berührte, wurde Caleb ganz steif, und die Adern an seinem Hals traten wie dicke Taue hervor. Er warf sich gegen die Sofakissen und schrie nach Hilfe, die keiner ihm geben

Weitere Kostenlose Bücher