Cambion Chronicles - Smaragdgrün wie die Dämmerung (German Edition)
Grenzen.
Michael drehte sich zu mir um und wurde plötzlich ernst. »Kennst du eigentlich diesen Privatdetektiv, Ruiz?«
» Oh, ich sehe seine Nase, aber nicht den Hund, dem ich sie vorwerfen will «, deklamierte ich. Als Michael mich mit offenem Mund anstarrte, schob ich hinterher: »Das ist aus Othello , eins meiner Lieblingszitate.«
»Aha. Also, ich hatte vor ein paar Tagen das Vergnügen, ihn kennenzulernen. Übler Kerl. Dem würde ich nicht gern in einer dunklen Gasse begegnen.«
»Ja. Der läuft hier rum und stellt Fragen über euren Dad.«
»Zum Beispiel?«
»Über seinen Tod und sein Leben in Europa. Ich weiß nicht. Ich spüre, dass er was weiß und darauf wartet, dass wir einen Fehler machen.«
»Interessant. Klingt, als sollte ich da mal eingreifen.« Er lächelte mir träge zu und öffnete die Tür.
Wir betraten das Zimmer. Zerknüllte Laken und Kissen waren in einer Ecke gestapelt. Haden lag auf zwei Sesseln und schnarchte so laut, dass er Caleb aus dem Koma hätte wecken müssen.
Ich trat an Calebs Bett, legte meine Hand auf seine bleichen Finger und drückte sie ganz sanft, damit er wusste, dass ich da war.
»Wie geht es ihm?«, fragte ich.
»Keine großen Veränderungen. Er hat sich nicht gerührt bisher«, berichtete Michael.
Ich küsste Caleb auf Augen und Wangen, bevor ich mich seinem Mund näherte. Ich entspannte mich und ließ die Energie in Wellen aus mir herausfließen, erst schnell, dann immer gemächlicher. Wie ich schon vermutet hatte, fiel es Lilith schwer, ihre Energie herzugeben. Sie schien Capone gegenüber heute etwas gleichgültig zu sein, denn ich spürte nicht wie sonst tanzende Funken in mir. Das war kein gutes Zeichen.
»Sam, ich glaube, das reicht. Versuch nicht, ihm zu viel zu geben«, warnte eine Stimme aus der anderen Zimmerecke.
Ich sah zu Haden hoch, der jetzt wieder unter den Lebenden weilte. »Mir geht es gut. Ich bin nicht erschöpft.«
»Sicher? Das ist eine ganz schöne Menge. Was hast du getrunken?«, fragte er.
Ich wich der Frage aus und richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf Caleb. Capone trank gierig, sog jedes bisschen Kraft in sich hinein. Diesmal schien Lilith bereitwilliger, aber ihre erste Reaktion verwirrte mich. Normalerweise wäre sie bei der Möglichkeit, mit Capone zusammen zu sein, vor Freude im Dreieck gesprungen, und jetzt zeigte sie kaum Interesse. Ich schloss die Augen und versuchte, ihre Gefühle so gut zu entschlüsseln, wie ich konnte.
Schließlich wich ich nach Luft schnappend zurück. »Ich glaube, das reicht erst mal.« Ich wischte mir über die Lippen und hielt inne, als ich den schockierten Blick der Brüder sah. »Was ist?«
Sie starrten mich weiter wortlos an. Michael warf Haden einen besorgten Blick zu.
»Was?«, schrie ich.
»Ich mach das schon.« Haden tätschelte Michaels Arm, bevor er quer durch das Zimmer auf mich zukam und mich zur Tür hinausschob. »Wir müssen reden.«
Mir blieb keine andere Wahl. Von jetzt auf gleich war ich am anderen Ende des Flurs, außer Hörweite des Personals. Hadens großer Körper verdeckte die Beleuchtung, sodass ich im Schatten stand. Er sprach zwar leise, doch ich merkte, dass ein falsches Wort ihn in mörderische Wut versetzen würde. Dass er aus seinem Nickerchen gerissen worden war, machte ihn noch grummeliger.
»Samara, ich würde es sehr begrüßen, wenn du ehrlich zu mir wärst«, begann er in ruhigem, gleichmäßigem Ton. »Wir machen gerade einiges durch, und wir möchten uns nicht auch noch um dich Sorgen machen müssen. Es ist völlig unmöglich, dass du ihn so lange trinken lässt und nicht bewusstlos zu Boden gehst. Du leuchtest praktisch von innen. Also, ich frage das nur einmal: Was zum Teufel hast du getrunken?«
Ich wollte es ihm sagen. Die Worte lagen mir auf der Zunge und drängten hinaus, aber sie konnten nicht. Ich versorgte seinen Bruder mit der Energie von demselben Dämon, der ihn überhaupt erst in diese Lage gebracht hatte. Die Situation war in jeder Hinsicht total verfahren, aber ich konnte nicht riskieren, dass Haden etwas Dummes tat, zum Beispiel Tobias töten. Schließlich war Lilith an ihn gebunden, und ich brauchte mehr Zeit, um das alles erst mal klarzukriegen.
»Keine Sorge. Ich habe niemanden umgebracht«, sagte ich.
Er sah nicht überzeugt aus.
»Haden, ich bin vielleicht verzweifelt, aber so verzweifelt nun auch wieder nicht.«
Er machte einen Schritt zurück. »Das sagst du jetzt, aber ich weiß, was deinesgleichen alles für einen
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