Cambion Chronicles - Smaragdgrün wie die Dämmerung (German Edition)
mich immer in Philosophierlaune, und ich suchte nach Sinn und Zweck, die es eindeutig nicht gab. Und wenn doch, würde mir das Wissen darum doch nur die Hochstimmung verderben, also waren diese tiefschürfenden Fragen rein rhetorisch. Ein Teil von mir wollte diese Erfahrung für sich behalten, in der Elektrizität schwelgen, die meine Adern durchströmte, aber jemand anders brauchte sie jetzt dringender.
Die Operation Cambion-Genesung wurde ausgebremst, als die Schwester am Empfangstresen mich in die Mangel nahm. Sie musste entweder neu sein oder während der Schicht einen gezwitschert haben, wenn sie glaubte, die Tatsache, dass ich keine Blutsverwandte von Caleb war, würde mich von ihm fernhalten. Weder Krankenhausregeln noch Sicherheitspersonal würden sie vor meinem Zorn retten. Gerade als ich zum tödlichen Stoß ansetzen wollte, hörte ich eine Stimme hinter mir.
»Sie gehört zu uns, Ma’am.«
Diesen britischen Akzent hätte ich überall herausgehört. Ich drehte mich um und sah kopfschüttelnd zu, wie Michael unbeholfen den Flur hinunterschwankte. Er kaute auf einer Lakritzschnur und trug den alten, zerknitterten grauen Trenchcoat, in dem er zweifellos auch schlief. Obwohl wir in einem Gebäude waren, blieben seine Augen hinter einer dunklen Sonnenbrille verborgen, entweder, um die Ausstrahlung seines Mitbewohners zu verstecken oder aber seinen Kater.
Die Schwester konnte kaum wegsehen oder einen vollständigen Satz von sich geben, wie das eben so ist in Anwesenheit eines Cambions. »Sir, ähm … um diese Zeit dürfen nur Familienmitglieder zu den Patienten« war der einzige zusammenhängende Satz aus ihrem Mund. Sie strich sich über ihr farbloses Haar und zog ihren Kittel mit dem Teddymuster glatt.
Michael lehnte sich über den Tresen, zog die Brille herunter und nagelte sie mit einem Blick fest, der durch jede einzelne Stofflage drang. »Sie ist ein Familienmitglied. Sie ist die Verlobte meines Bruders.« Er zwinkerte mir zu, bevor ich protestieren konnte.
Die Schwester schüttelte die Trance ab und schob mir das Klemmbrett hin. Noch immer konnte sie die Augen nicht von Michael lassen. »Ja, natürlich ist sie das. Wie dumm von mir.«
Nachdem er unterschrieben hatte, begleitete Michael mich zum Krankenzimmer, wobei er mich in den Schwitzkasten nahm und mir einen fingierten Kinnhaken versetzte. Es gefiel mir ja, wenn sie mich wie eine von ihnen behandelten, aber das hier war mehr eine Abreibung als eine Liebesbekundung. Mich schauderte bei dem Gedanken daran, was Caleb als Kind wohl alles hatte ertragen müssen.
»Wo hast du denn gesteckt? Ich dachte, du kommst mal vorbei.«
»Mir ist was dazwischengekommen, das konnte ich nicht absagen«, antwortete ich, während ich mich aus seinem Griff zu befreien versuchte. »Aber jetzt bin ich ja da. Ich habe ein bisschen Energie für ihn gesammelt. Jedes bisschen hilft, oder?«
»Ja, das stimmt. Wir versuchen, ihm zu geben, was wir können, aber er scheint sie lieber von dir zu nehmen. Richtig süß ist das. Wir sind eine große, glückliche Familie.« Er packte mich am Nacken und klemmte meinen Kopf schon wieder fest.
»Caleb und ich sind nicht verheiratet, oder wie immer du das nennen willst«, stieß ich erstickt hervor.
»Aber sobald du Caleb heiratest, sind unsere Familien vereint«, versicherte Michael und ignorierte mein Gezappel.
Ich stemmte die Absätze in den Boden und brachte damit unsere kleine Prozession zum Stehen. »He, jetzt mach aber mal halblang, du Chauvi. Ich heirate niemanden. Erst kommen noch der Highschool-Abschluss und sieben Jahre College, bevor ich den Gedanken auch nur in Erwägung ziehe.«
»Ja, weil noch keine verheiratete Frau jemals das Staatsexamen gemacht hat. Du bist doch eine moderne Frau. Noch nie was von Multitasking gehört?« Michael ging weiter und zog mich hinter sich her.
Mit einigen wohlüberlegten Drehungen wand ich mich aus seinem Griff, als zwei kichernde Krankenschwestern den Flur betraten. Sie lächelten, zwirbelten ihre Haare und unternahmen auch sonst alles, um Michaels Aufmerksamkeit zu erregen.
Neben der Tatsache, dass ein Cambion einer Frau das Leben aussaugen konnte, war diese magnetische Anziehungskraft der zweite Grund, warum sie sich niemals mit einem einlassen sollte. Jedenfalls nicht, wenn sie nachts gern ruhig schlief. Man hatte mir schon mehrfach versichert, dass nur eine starke, selbstsichere Frau damit zurechtkam, aber auch die selbstbewussteste Frau stieß irgendwann an ihre
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