Camel Club 01 - Die Wächter
verabschiedet hatten.
»Dass sie Arschlöcher sind, die meine Visitenkarte in den nächsten Papierkorb werfen.«
»Warum haben Sie ihnen dann den Abschiedsbrief ausgehändigt?«
»Weil sie damit die Verantwortung für ein Indiz einer Todesfalluntersuchung tragen, und das verschafft uns einen prima Vorwand, um im NIC vorzusprechen und dort zu ermitteln.«
KAPITEL 18
Um halb sieben war Carter Gray aufgestanden; fünfundvierzig Minuten später traf er beim NIC ein. Im Foyer hing eine Sammlung eindrucksvoller Schwarzweißfotos, an denen jeder Mitarbeiter täglich vorbeimusste. Ein Foto zeigte die Zwillingstürme des World Trade Center in Flammen. Das Foto daneben zeigte die Schuttberge und veranschaulichte auf bedrückende Weise die Leere des Grundstücks, auf dem die Wolkenkratzer gestanden hatten. Auf dem dritten Bild sah man das Pentagon, nachdem am 11. September 2001 eine Düsenmaschine der American Airlines eine Bresche in die Fassade gerissen hatte. Ein viertes Foto stammte von der Absturzstelle der zur gleichen Zeit entführten Maschine der United Airlines – ein hässlicher Krater in der Landschaft Pennsylvanias. Daneben erkannte man auf einem Foto die verrußte und aufgeplatzte Vorderfront des Weißen Hauses, das von zwei Raketengeschossen getroffen worden war, die ins Ostzimmer des Präsidentenwohnsitzes einschlugen. Dann folgte ein Foto der durch den Bombenanschlag in Oklahoma City angerichteten Verwüstung.
Doch viele Mitarbeiter des NIC fanden das allerletzte Bild am niederschmetterndsten. Sämtliche Opfer dieses Anschlags waren noch keine sechzehn Jahre alt gewesen, getötet von einer vierköpfigen Gruppe von Selbstmordattentätern, die während einer Feierlichkeit, auf der Amerikas beste und klügste Schulkinder geehrt werden sollten, gemeinsam den Sprengstoff gezündet hatten. Die Schülerinnen und Schüler waren in der Heimat für ihre überragenden schulischen Leistungen und ihr vorbildliches soziales Engagement mit einer Reise nach Frankreich belohnt worden. Statt mit Auszeichnungen kehrten sie in Särgen zurück in die Vereinigten Staaten.
»Vergessen Sie nie, was geschehen ist«, hatte Gray seinen Mitarbeitern eingeschärft. »Und tun Sie alles, was Sie können, um dafür zu sorgen, dass so etwas nie wieder geschieht.«
Das NIC führte eine inoffizielle Statistik darüber, wie viele Menschenleben und wie viel Eigentum durch die Vereitelung terroristischer Anschläge in den Vereinigten Staaten und in Übersee gerettet worden waren. Derzeit lag die geschätzte Zahl verhinderter Toter bei 93000 Amerikanern und 31000 Ausländern. Die geretteten materiellen Werte schätzte man auf nahezu einhundert Milliarden Dollar. Außerhalb der höchsten geheimdienstlichen Kreise wusste niemand von dieser Statistik; die amerikanische Öffentlichkeit sollte nie davon erfahren, und dies aus gutem Grund: Wüssten die Amerikaner, wie viele Attentate nur mit knapper Not hatten abgewendet werden können, würden wahrscheinlich große Teile der Bevölkerung nie mehr das Haus verlassen.
Mit dem Lift fuhr Gray in dasselbe Stockwerk wie am Vortag, betrat jedoch eine andere Räumlichkeit. Dort saßen fünf Männer und zwei Frauen um einen rechteckigen Konferenztisch. Gray nahm Platz und klappte vor sich ein Notebook auf.
»Was sind die Ergebnisse der vergangenen Nacht?«, fragte er.
»Al-Omari hat die Mitarbeit verweigert«, antwortete einer von Grays Vertrauten.
»Das überrascht mich nicht sonderlich.«
»Was wird aus al-Omaris Sohn, Mr. Gray? Sollen wir ihn in Gewahrsam nehmen?«
»Nein. Der Junge darf bei seiner Mutter bleiben. Ein Kind braucht wenigstens einen Elternteil.«
»Verstanden, Sir«, sagte der Mann und bestätigte damit das Todesurteil, das Gray soeben über den unglückseligen Vater verhängt hatte.
»Lassen Sie eine Woche vergehen, und holen Sie währenddessen möglichst viele nützliche Informationen aus al-Omari heraus, mit allen verfügbaren Mitteln.«
»Wird erledigt«, sagte eine der Frauen.
»Und was macht Ronald Tyrus, unser heimischer Neonazi?«, erkundigte sich Gray.
»Er wird bereits unterwiesen.«
»Und die anderen?«
»Kim Fong hat uns eine inzwischen als glaubwürdig eingestufte Information über die geplante Lieferung eines neuen, für die Flughafen-Röntgengeräte unsichtbaren Sprengstoffs gegeben. Nach seiner Aussage soll das Zeug nächste Woche nach Los Angeles eingeschmuggelt werden.«
»Verfolgen Sie die Fährte dieses Sprengstoffs bis zum Käufer. Ich will die
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