Camel Club 01 - Die Wächter
war, das amerikanische Walfänger entdeckt hatten, nachdem die Besatzung das im Eis feststeckende Schiff verlassen hatte. Auf Geheiß der US-Regierung war es instand gesetzt und als Geste des guten Willens nach England überführt worden. Zum Dank machte Königin Victoria den Schreibtisch Präsident Rutherford B. Hayes zum Geschenk. Seitdem war der Resolute -Schreibtisch, wie er längst hieß, von sämtlichen Präsidenten – von einer kurzen Unterbrechung abgesehen, als er in der Smithsonian Institution stand – zum Regieren benutzt worden.
Von dem Augenblick an, als er den Westflügel aufsuchte, befand Gray sich in innerer Hochspannung. Er hatte den Internet-Klatsch über Patrick Johnsons Tod verfolgt. Am Nachmittag waren weitere Spekulationen verbreitet worden. Die letzten hatte er vorhin während des Hubschrauberflugs gelesen. Außerdem hatte Gray vom FBI einen Bericht erhalten, in dem auch das in Johnsons Haus aufgespürte Drogenversteck erwähnt wurde. Außerdem wusste er, dass die Secret-Service-Agenten Ford und Simpson sich an den Ermittlungen beteiligten. Als Jackie Simpsons Name gefallen war, hatte Gray geschmunzelt, was bei ihm selten vorkam. Sollte er in dieser Angelegenheit ein Ass brauchen, hatte er mit Jackie eines in der Hinterhand.
Wie es sich für einen respektablen Meisterspion gehörte, hatte Gray Augen und Ohren im Weißen Haus und war deshalb bereits gewarnt worden, dass Brennan sich wegen des Falls Johnson Sorgen machte und negative Auswirkungen auf seinen Wahlkampf befürchtete. Deshalb nahm Gray sich vor, die Eröffnung der Diskussion nicht seinem Chef zu überlassen.
»Mr. President«, sagte er folglich, kaum dass sie sich gegenübersaßen, »ehe ich Ihnen den Tagesbericht gebe, würde ich mich gern zu diesem unerfreulichen Vorfall äußern, Patrick Johnsons Tod auf Roosevelt Island.«
»Es wundert mich, dass Sie mich deshalb nicht angerufen haben, Carter.« Die Stimme des Präsidenten hatte einen scharfen Unterton, der Gray nicht behagte.
»Ich wollte erst im Besitz sämtlicher Fakten sein, Sir. Ich möchte nicht Ihre Zeit verschwenden.«
»Sie wären nicht der Erste«, sagte Brennan.
Er ist der Präsident der Vereinigten Staaten, ermahnte sich Gray, und ich stehe in seinen Diensten.
Kurzgefasst schilderte Gray dem Präsidenten die Sachlage und gab ihm Informationen, die er zweifellos längst besaß. Als Gray den Drogenfund erwähnte, hob Brennan die Hand.
»Sind noch mehr Mitarbeiter darin verwickelt?«
»Eine gute Frage, Mr. President, aber leider hat sie bislang niemand zu meiner Zufriedenheit beantwortet. Ich werde persönlich eine interne Untersuchung des Falls vornehmen, die auf meinen Wunsch vom FBI unterstützt wird.« An sich war es Gray zuwider, das FBI heranzuziehen, doch es machte einen besseren Eindruck, wenn er es selbst tat, bevor jemand anders den Vorschlag machte.
»Carter, wenn das FBI dabei mitmacht, müssen Sie ihm freie Hand lassen. Nichts darf unter den Teppich gekehrt werden.«
»Ganz meine Meinung, Mr. President. Doch nach dem jetzigen Stand der Ding werden sich aus dem Fall wohl keine weiteren Folgen ergeben. Wenn Johnson mit Drogen gehandelt hat, dann hat es nichts mit seiner Tätigkeit im NIC zu tun.«
Der Präsident schüttelte den Kopf. »Von dieser Annahme dürfen wir vorerst nicht ohne Weiteres ausgehen. Woraus bestand denn seine Tätigkeit für Sie?«
»Er hat an leitender Stelle unsere Geheimdienstdateien verwaltet, die Hintergrundinformationen über terrorismusverdächtige Personen und Organisationen enthalten – sowohl noch aktive als auch von uns vernichtete Organisationen und Einzelpersonen. Johnson hat sogar bei der Entwicklung der erforderlichen Software mitgearbeitet.«
»Sind die Daten verkäuflich?«
»Ich wüsste kaum wie. Es sind grundlegende Informationen. Einen Großteil kann man sogar auf unserer öffentlichen Website finden. Die Dateien, die Johnsons Verwaltung unterstanden, enthalten beispielsweise keine konkreten Angaben über geheimdienstliche Ermittlungsergebnisse.«
Der Präsident nickte, lehnte sich zurück und rieb sich den Nacken. Seit sieben Uhr saß er am Schreibtisch, hatte inzwischen Arbeit, die normalerweise vierzehn Stunden beanspruchte, innerhalb von acht Stunden erledigt, hatte noch fast den ganzen Nachmittag vor sich und musste am Abend ein Staatsbankett besuchen. Und morgen wollte er in den Mittelwesten, um Wahlkampf für eine Wahl zu betreiben, bei der ihm im Grunde genommen ein klarer Sieg winkte; doch er
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