Camel Club 01 - Die Wächter
habe, war als konstruktive Kritik gemeint. Als ich am Anfang meiner Laufbahn stand und vorn nicht von hinten unterscheiden konnte, hätte ich für solche Tipps bares Geld gezahlt.«
Im ersten Augenblick machte Jackie den Eindruck, als hätte sie ihm gern einen Kinnhaken verpasst, doch sie wahrte die Fassung, was Rückschlüsse auf eine ausgeprägte Fähigkeit zur Selbstbeherrschung erlaubte.
»Ich weiß Ihre Hilfsbereitschaft zu schätzen, aber für eine Frau ist nun mal alles anders. Der Secret Service ist noch weitgehend eine Männerwelt.«
»Das streite ich gar nicht ab, Jackie. Dennoch bleibt die Tatsache, dass es nicht gut für Ihre Karriere ist, wenn Sie zulassen, dass man Sie anders als alle Ihre Kollegen behandelt.«
Jackies Gesicht lief rot an. »Ich kann nichts dagegen tun, wenn manche Leute glauben, sie müssten mich mit Samthandschuhen anfassen.«
Alex schüttelte den Kopf. »Falsch. Sie können etwas dagegen tun. Und Sie sollten wirklich dafür sorgen, dass es aufhört.« Er zauderte. »Wer ist denn Ihr Schutzengel?«
Jackie machte nicht den Eindruck, als wollte sie ihm darauf antworten.
»Spucken Sie ’s schon aus. Es ist ja nicht so, als könnte ich es nicht herausfinden.«
»Na schön«, sagte sie widerwillig. »Mein Vater ist Senator Roger Simpson.«
Alex nickte beeindruckt. »Der Vorsitzende des Geheimdienst-Aufsichtskomitees. Das ist tatsächlich ein bedeutender Schutzengel.«
Blitzartig stand Jackie dicht vor Alex, Auge in Auge, und trat ihm beinahe auf die Schuhe Größe 46. »Niemals würde mein Vater seinen Einfluss benutzen, um mir zu helfen. Und damit Sie es wissen: Sein einziges Kind zu sein hat mir das Leben nicht unbedingt erleichtert. Ich musste um jede Kleinigkeit kämpfen. Das hat Narben hinterlassen, aber ich habe auch ein dickes Fell gekriegt.«
Alex trat einen Schritt zurück und hob eine Hand, um Jackie auf Abstand zu halten. »Hier zählen keine Tatsachen, hier geht man nach dem Anschein. Und es hat den Anschein, dass Sie weniger Routinearbeit verrichten, als man von Ihnen erwarten dürfte. Und das ist noch nicht alles.«
»Ach nein?«
Alex deutete auf ihre Jacke. »Sie tragen immer ein knallrotes Tuch in der Brusttasche.«
»Na und?«
»Für den Secret Service ist so was tabu. Es lenkt die Aufmerksamkeit auf Sie, obwohl Sie einem Beruf nachgehen, in dem Unauffälligkeit ein Markenzeichen ist. Überdies macht es Sie zu einem verdammt guten Ziel für jemanden, der ’ne Kugel in Sie reinpumpen will. Deshalb kennzeichnet dieses Tuch Sie nicht nur als Außenseiterin, sondern als dumme Außenseiterin.«
Jackie biss die Zähne zusammen und senkte den Blick auf das rote Tuch, als wäre es ein Brandmal. »Und Ihr Schießeisen«, fügte Alex hinzu, »ist eine Privatwaffe. Noch ein Anzeichen dafür, dass Sie anders sein möchten – oder besser , wie man hier glaubt – als Ihre Kollegen beiden Geschlechts. So was kommt gar nicht gut an.«
»Mein Vater hat mir die Waffe geschenkt, als ich in den Polizeidienst eingetreten bin.« Alex bemerkte, dass Jackies Alabama-Akzent umso stärker wurde, je mehr sie sich ärgerte.
»Hängen Sie die Knarre in eine Wandvitrine, und tragen Sie von nun an die Standard-Dienstwaffe.«
»Und dann sind alle meine Probleme auf einen Schlag aus der Welt?« In ihrer Stimme lag Aggressivität.
»Nein, aber dann haben Sie bloß noch die gleichen Probleme wie alle anderen im Secret Service. Wieso können Sie sich nicht einfach damit abfinden, dass das Leben manchmal seine beschissenen Seiten hat?« Vor allem, wenn man eine blöde Zicke ist.
Alex drehte sich um und ging seines Weges. Für heute hatte er die Nase voll von diesem Greenhorn. Verführerisch lockte die LEAP-Bar.
Kate Adams hatte sich nach einem ganzen Tag im Dienste der Justiz gerade in ihr abendliches Betätigungsfeld hinter der Theke begeben, als Alex die Bar betrat. Wegen der frühen Uhrzeit war das Lokal noch relativ leer. Alex steuerte die Theke an, als wäre er ein Schlachtross. Kate hatte ihn kommen sehen, und in dem Moment, als sein Hintern sich auf den Barhocker senkte, stand ein Martini mit drei dicken Oliven vor ihm.
»Bilde ich es mir nur ein, oder sind Sie auf hundertachtzig?«, fragte Kate auf so gutmütig spöttische Weise, dass es seine Anspannung sofort löste.
Ein Duftgemisch aus Kokosnuss und Geißblatt wehte über die breite Mahagonitheke in Alex’ Nase. Er fragte sich, ob sie sich die Haare gewaschen hatte, bevor sie in die Bar gekommen war, oder ob er ihr
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