Camel Club 02 - Die Sammler
wurde blass. »Das sieht mir gar nicht gut aus, Roger.«
»Werden Sie nicht nervös, Albert. Ich habe einen Plan. Ich habe immer einen Plan. Die fällige Zahlung ist eingegangen. Wie schnell können Sie das neue Material weiterleiten?«
Trent schaute auf die Armbanduhr. »Frühestens morgen, aber es wird knapp.«
»Hauen Sie rein.«
»Vielleicht sollten wir lieber den Laden dichtmachen, Roger.«
»Das wäre schlechtes Geschäftsgebaren. Wir haben noch etliche Kunden zu bedienen.«
»Es wäre auch schlecht, wegen Hochverrats im Knast zu sitzen.«
»Ach, ich werde nicht im Knast sitzen, Albert.«
»So genau können Sie das nicht wissen.«
»Doch, ich weiß es, weil man Tote nämlich nicht einbuchtet.«
»Na schön, aber wir müssen keinen so gefährlichen Weg einschlagen. Vielleicht sollten wir uns überlegen, ob wir wenigstens ein bisschen pausieren, bis die Sache nicht mehr so heiß ist.«
»Wenn etwas erst mal so heiß ist wie jetzt, kühlt es nicht von selbst wieder ab. Wir machen ganz einfach weiter, denn wie ich schon sagte – ich habe einen Plan.«
»Darf ich ihn erfahren?«
Seagraves ignorierte die Frage. »Heute Abend erhalte ich neue Informationen. Wenn sie so gut sind, wie ich es erwarte, dürften sie uns 10 Millionen einbringen. Aber sperren Sie Augen und Ohren auf. Sobald Ihnen irgendwas seltsam vorkommt, verständigen Sie mich. Sie wissen ja, wo Sie mich finden.«
»Sie müssen mal wieder jemanden … äh, liquidieren?«
»Ein klein wenig erhoffe ich es mir sogar.« Seagraves ließ Trent stehen.
Am Abend fuhr Seagraves zum Kennedy Center, um ein Konzert des National Symphony Orchestra zu besuchen. Das schlichte, kastenförmige Kennedy Center war schon oft zum lieblosesten Denkmal erklärt worden, das die Nation je einem toten Präsidenten gewidmet hatte. Seagraves interessierte sich jedoch nicht für die Ästhetik des Bauwerks. Er hatte nicht einmal Interesse am National Symphony Orchestra. Seine attraktiven Gesichtszüge und seine hochgewachsene, muskulöse Gestalt zogen die Blicke vieler Frauen an, die ihn im Gang zum Auditorium zu sehen bekamen, in dem das Symphonieorchester spielen sollte. Auch darum kümmerte er sich nicht. Für ihn war heute ein reiner Arbeitsabend.
Später, in der kurzen Pause, mischte Seagraves sich außerhalb des Auditoriums unter andere Gäste, um etwas zu trinken und sich im Andenkenladen umzuschauen.
Außerdem ging er in die Herrentoilette. Anschließend wurde die Beleuchtung wieder gedimmt, um den zweiten Teil des Konzerts anzukündigen.
Eine Stunde später saß Seagraves gegenüber vom Kennedy Center in einer Nachtbar und gönnte sich einen Drink. Er zog das Konzertprogramm aus der Seitentasche des Jacketts und sah es durch. Natürlich war es nicht sein Programm. Auf dem Rückweg ins Auditorium war es ihm im Geschiebe in die Tasche gesteckt worden. Niemand konnte es beobachtet haben. Wenn Spione Menschenmengen mieden, wurden sie stets geschnappt. Deshalb suchte Seagraves die Menschenmassen, da sie Schutz boten.
Daheim in seinem Arbeitsraum filterte er die im »Programm« verborgenen Geheimnisse heraus und brachte sie in die richtige Form, um sie beim nächsten Zusammentreffen Albert Trent zu übergeben. Seagraves lächelte. Was da vor ihm lag, bestand aus nichts weniger als den letzten Informationen, die er für den Entschlüsselungscode der hochrangigen diplomatischen Kommunikation zwischen dem Außenministerium und seinen überseeischen Institutionen brauchte. Inzwischen glaubte er, dass 10 Millionen Dollar zu billig waren; vielleicht ließen sich damit 20 Millionen verdienen. Schließlich beschloss Seagraves, 25 Millionen zu fordern, um ein wenig Spielraum nach unten zu haben. Er führte alle Verhandlungen in verschiedenen, eigens dafür eingerichteten Internet-Foren. Und er ließ die Geheimnisse erst an die Empfänger weiterleiten, wenn sie das Geld auf sein Nummernkonto überwiesen hatten. Er stellte sich auf den sehr vernünftigen Standpunkt: Traue niemandem, mit dem du Geschäfte machst. Ihn selbst zwang die Effizienz des freien Marktes zur Verlässlichkeit. Wenn er auch nur ein einziges Mal Geld kassierte, ohne die Ware zu liefern, flog er aus dem Geschäft. Und wahrscheinlich hätte es seine Liquidierung zur Folge.
Nur ein Ärgernis konnte Seagraves’ Pläne noch zum Scheitern bringen: diese alten Knacker, die sich das Herumschnüffeln zur Gewohnheit gemacht hatten. Wäre es bloß der Bibliothekar gewesen, hätte ihn geringere Sorge
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