Camel Club 02 - Die Sammler
zu tun. Aber ich stand am Fenster, als der Schuss fiel. Ich glaube, ich habe sogar gespürt, wie die Kugel an meinem Ohr vorbeisauste. Mir war noch tagelang flau.«
»Kann ich mir vorstellen. Könnte noch jemand anders uns etwas erzählen?«
»Ein Kellner und der Barkellner, die auf der Veranstaltung bedient haben. Falls Sie mit ihnen reden möchten – sie sind beide heute anwesend.«
Der Barkellner wusste nichts. Der Kellner hingegen, ein Mann namens Tom, hatte eine Antwort. »Einer seiner Mitarbeiter war es, glaube ich«, sagte er, »der alle zum Anstoßen zusammengerufen hat. So ist es mir jedenfalls in Erinnerung geblieben. Ich habe geholfen und Gäste aus Nebenzimmern hereingebeten, und dann ist Abgeordneter Bradley geholt worden.«
»Entsinnen Sie sich, wer dieser Mitarbeiter war?«
»Nein, tut mir leid. Es waren viele Leute zugegen. Und soweit ich weiß, hat er seinen Namen nicht genannt.«
»Also war es ein Mann?« Tom nickte. Stone zeigte ihm Fotos der einstigen Mitarbeiter Bradleys. »Erkennen Sie jemanden? Kann der hier es gewesen sein?« Er deutete auf das Foto Dennis Warrens. »Er war Bradleys Bürovorsteher. Es läge nahe, dass er den Umtrunk veranlasst hat.«
»Nein, der war es nicht.«
»Und was ist mit dem?«, fragte Stone und zeigte auf das Foto Albert Trents. »Er war auch ein wichtiger Mann bei Bradley.«
»Nein.« Der Reihe nach betrachtete der Kellner die Fotos und tippte zu guter Letzt auf ein Bild. »Das war er. Jetzt fällt’s mir ein. Er hat einen so tüchtigen Eindruck gemacht.«
Stone sah das Foto Michael Averys, der sich als Bradleys Mitarbeiter im Geheimdienstausschuss betätigt hatte.
»Und was nun?«, fragte Milton, als er und Stone den Federalist Club verließen.
»Wir sprechen mit einigen der Leute, die für Bradley gearbeitet haben.«
»Doch nicht mit Avery? Dann wäre er ja gewarnt.«
»Nein, aber mit Trent oder Warren.«
»Aber wir können nicht behaupten, dass wir im Auftrag der Familie Bradleys ermitteln. Wahrscheinlich würden sie merken, dass wir ihnen einen Bären aufbinden.«
»Nein, wir sagen ihnen die Wahrheit.«
»Was?«
»Wir sagen, dass wir den Tod Jonathan DeHavens untersuchen.«
Dennis Warren hielt sich zu Hause auf, als Stone ihn anrief, nachdem er ihn im Telefonbuch gefunden hatte, und erklärte sich mit einem Gespräch einverstanden. Am Telefon sagte er, DeHavens Tod sei ihm zwar zu Ohren gekommen, er habe den Mann jedoch nicht gekannt. »Ich muss mich schämen, es zuzugeben«, fügte er hinzu, »aber ich habe nicht mal einen Bibliotheksausweis.«
Mit der U-Bahn fuhren Milton und Stone zu Warrens Wohnsitz in Falls Church, Virginia. Er hatte ein eher bescheidenes Haus in älterer Nachbarschaft. Man sah auf Anhieb, dass Warren kein Freund des Freiluftsports war, und ebenso wenig Heimwerker. Unkraut wucherte auf dem Rasen, und das Haus bedurfte dringend eines Anstrichs.
Drinnen dagegen war es behaglich und bequem, und trotz Warrens Bekenntnis, keinen Bibliotheksausweis zu haben, standen zahlreiche Bücher in den Regalen. Stapel ausgelatschter Tennisschuhe, Universitätsjacken und Teenagerutensilien verrieten, er war auch Vater.
Warren erwies sich als großer, stattlicher Mann mit schütter werdendem Haar und breitem, pockennarbigem Gesicht. Die dünne, fast durchsichtige Haut zeugte von Jahrzehnten der Arbeit fürs Heimatland unter Neonlampen. Durch den Flur führte er die Besucher ins Wohnzimmer.
»Achten Sie nicht auf das Chaos«, bat Warren. »Drei Söhne zwischen vierzehn und achtzehn bedeuten, dass das Haus nicht einem allein gehört und dass man das Dasein nicht selbst bestimmen kann. Ich bin zwar dazu imstande, mich in einer Sitzung hinzustellen und den Stabschefs schlüssige Argumente über komplizierte geopolitische Geheimdienststrategien vorzutragen, aber meine Söhne krieg ich anscheinend nicht so weit, regelmäßig zu duschen oder etwas anderes als Cheeseburger zu essen.«
»Sie gehörten früher zum Personal des Geheimdienstausschusses«, begann Stone die Unterredung.
»Richtig. Aber als Bradley Sprecher des Abgeordnetenhauses wurde, bin ich mit ihm gegangen. Derzeit bin ich arbeitslos.«
»Wegen seines Todes?«, fragte Milton.
Warren nickte. »Ich habe für ihn persönlich gearbeitet. Es war eine Freude, für Bradley zu arbeiten. Er war ein bedeutender Mann. Ein Mann, wie wir ihn heutzutage gebrauchen können – durch und durch solide und ehrenhaft.«
»Hätten Sie nicht beim Geheimdienstausschuss bleiben können?«,
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