Camel Club 02 - Die Sammler
einige Zeit später ein Konservator mit frisch reparierten Büchern kam, die wieder in die Tresorräume geschafft werden mussten, erbot sich Caleb, diese Aufgabe zu erledigen. Dadurch erhielt er eine glänzende Gelegenheit, den Beadle ins Regal zurückzustellen. Er packte ihn in den Stapel der anderen Bände und ging in die Tresorräume. Dort sortierte er die restaurierten Bücher ein und strebte anschließend zu dem Regal, in dem Beadles Werke standen. Doch als er das Buch ins Regal schieben wollte, bemerkte er, dass eine Ecke des Einbands angerissen war – wohl durch den Klebestreifen, mit dem Annabelle es am Oberschenkel befestigt gehabt hatte.
»Na prächtig. Dabei hätte man doch erwarten können, dass sie ein bisschen behutsamer mit dem Buch umspringt, zumal sie es vorher gestohlen hat«, murmelte Caleb. Nun hatte er keine andere Wahl, als den Beadle restaurieren zu lassen. Er verließ die Tresorräume, füllte das unumgängliche Formular aus und tippte den Restaurierungsauftrag in den Computer ein.
Dann begab er sich durch die unterirdischen Stollen ins Madison Building und schenkte unterwegs der Räumlichkeit, wo der Tank gestanden hatte, durch dessen heimtückische Anwendung Jonathan DeHaven getötet worden war, kaum Beachtung. In der Restaurationsabteilung händigte er das Buch Rachel Jeffries aus, einer Frau, die schnell und zuverlässig arbeitete.
Nachdem er mit Rachel ein Weilchen über die schrecklichen Neuigkeiten getratscht hatte, kehrte er in den Lesesaal der Raritätenabteilung zurück und setzte sich an seinen Schreibtisch. Er blickte sich im Saal um, der noch vor kurzem so schön und geruhsam gewesen war, wie geschaffen zur Besinnlichkeit, und der jetzt, nach dem Tod zweier damit unzertrennlich verbundener Menschen, umso leerer wirkte.
Caleb erschrak, als die Tür geöffnet wurde und Kevin Philips, verhärmt und beklommen, den Saal betrat. Sie unterhielten sich einige Minuten lang. Philips sagte zu Caleb, dass er erwog, den Posten des diensthabenden Abteilungsleiters aufzugeben. »Es ist alles zu viel für meine Nerven«, klagte Philips. »Seit Jonathans Tod hab ich fünf Kilo abgenommen. Und nachdem sein Nachbar ermordet wurde und weil jetzt auch Janklow tot ist, glaubt die Polizei nicht mehr, dass es bei Jonathans Tod mit rechten Dingen zugegangen ist.«
»Tja, da könnte was dran sein.«
»Was glauben Sie, was da eigentlich los ist, Caleb? Ich meine, wir sind hier in einer Bibliothek. So was dürfte bei uns doch gar nicht passieren.«
»Ich wollte, ich wüsste eine Antwort darauf, Kevin.«
Später telefonierte Caleb mit Milton, der, die Presse betreffend, ständig Augen und Ohren offen hielt. Er erzählte, dass zahlreiche Spekulationen Janklows Ableben umrankten, dass man jedoch keine offizielle Todesursache nannte. Jewell English hatte das Häuschen vor zwei Jahren gemietet. Die einzige Gemeinsamkeit zwischen der Frau und dem Toten bestand aus ihren regelmäßigen Besuchen des Lesesaals der Kongressbibliothek-Raritätenabteilung. English war spurlos verschwunden. Ermittlungen bezüglich ihres Hintergrunds hatten in einer Sackgasse geendet. Anscheinend war sie nicht, was zu sein sie vorgespiegelt hatte. Vielleicht galt Gleiches auch für Janklow.
Kaum eine Überraschung, dachte Caleb, als er nach dem Telefonat den Hörer auflegte. Jedes Mal, wenn die Tür zum Lesesaal sich öffnete, krampfte Caleb sich unwillkürlich zusammen. Zuvor war der Saal eine Stätte des Friedens und Sanftmuts gewesen, doch mittlerweile glich er für Caleb einem stets wiederkehrenden Albtraum. Bisweilen hatte er den Eindruck, dass die einst so angenehme Stille ihn nun zu ersticken drohte. Ersticken! Gütiger Himmel, was für eine unglückselige Gedankenverbindung. Dennoch blieb er an seinem Arbeitsplatz, denn obwohl er sich als Schwächling betrachtete und sich in mancher anderen Hinsicht impulsiv verhielt, nahm er seine Arbeit ernst. Offenbar kamen heute – es wunderte Caleb nicht – keine Leser. Caleb erwartete, dadurch zumindest die Gelegenheit zu finden, ein paar überfällige Aufgaben zu erledigen. Doch es sollte nicht sein. Plötzlich verspürte er Hunger und beschloss, sich außer Haus ein Sandwich zu besorgen.
»Ach, Mr. Foxworth«, sagte Caleb, als der hochgewachsene, gut aussehende Mann sich ihm auf dem Gehweg vor dem Jefferson Building näherte.
Seagraves nickte und lächelte. »Bitte, ich möchte doch, dass Sie mich Bill nennen, erinnern Sie sich? Ich wollte heute noch einmal bei Ihnen
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