Camel Club 02 - Die Sammler
sauber und warf den Kadaver in einen Mülleimer.
Zwar verwendete er seine alten Fähigkeiten nicht mehr oft, doch bisweilen kamen sie ihm gerade recht. Zum Glück gehörten die Zeiten, als er in einem Versteck auf der Lauer lag und darauf wartete, dass eine zu tötende Zielperson sich in seine Reichweite begab, seit langem der Vergangenheit an. Dennoch hatte das Vergangene zweifellos Auswirkungen auf sein heutiges Dasein. Das fing schon mit seinem Namen an.
Seinen wirklichen Namen, John Carr, benutzte er seit über dreißig Jahren nicht mehr. Inzwischen war er seit Jahrzehnten als Oliver Stone bekannt. Teils hatte er den Namen gewechselt, um Bestrebungen seines alten Arbeitgebers zu vereiteln, ihn aufzuspüren, teils aus Trotz gegen eine Regierung, von der er das Gefühl hatte, dass sie ihren Bürgern gegenüber unehrlich war. Seit Jahrzehnten hatte Stone im Lafayette Park, gleich gegenüber vom Weißen Haus, als einer von einer Handvoll »Dauerprotestler« ein kleines Zelt stehen. Auf dem Schild neben dem Zelt stand der schlichte Satz: Ich will die Wahrheit wissen. Um dieses Ziel zu verfolgen, hatte Stone eine kleine, informelle Wachhund-Organisation mit der Bezeichnung Camel Club gegründet, die es als ihre Aufgabe betrachtete, dafür zu sorgen, dass die amerikanische Regierung dem Volk rechenschaftspflichtig blieb.
Die weiteren Mitglieder des Clubs, Milton Farb, Reuben Rhodes und Caleb Shaw, hatten keine hohen Machtpositionen und keinerlei Einfluss; dennoch hielten sie Augen und Ohren offen. Es war erstaunlich, wie viel man erreichen konnte, wenn man ein beharrlicher Beobachter blieb, der auf der Grundlage seiner Beobachtungen entschlossen und mit Einfallsreichtum handelte.
Stone richtete den Blick zum Himmel, an dem sich Regen ankündigte. Der Wind einer näher rückenden Kaltfront zauste ihm das kurze weiße Haar, das er früher schulterlang getragen hatte, dazu einen struppigen Vollbart. Heute erlaubte er den Stoppeln, nur wenige Tage zu sprießen, bis er sie abrasierte. Frisur und Bart hatten geändert werden müssen, um während des letzten Camel-Club-Abenteuers sein Leben zu schützen.
Stone kippte Unkraut auf einen Komposthaufen und arbeitete anschließend eine Zeit lang daran, einen alten Grabstein abzustützen, der die letzte Ruhestätte eines bekannten afroamerikanischen Predigers kennzeichnete, der sein Leben im Kampf um die Freiheit verloren hatte. Stone empfand es als seltsam, dass im freiesten Land der Welt jemand um Freiheit hatte kämpfen müssen. Sein Blick schweifte über den Friedhof Mt. Zion, einst eine Zwischenetappe der Geheimorganisation »The Underground Railroad«, die im amerikanischen Bürgerkrieg Sklaven aus dem Süden nach Norden in die Freiheit geschmuggelt hatte, und er konnte nur staunen, was für bemerkenswerte Leute hier in der Erde ruhten.
Während er arbeitete, lauschte er auf die Nachrichten, die aus dem Kofferradio drangen, das er neben sich auf den Boden gestellt hatte. Der Nachrichtensprecher berichtete soeben über den Tod von vier Mitarbeitern des Außenministeriums, die in Übersee – im Irak, in Indien und Pakistan – bei vier verschiedenen Vorfällen der Tod ereilt hatte.
Mitarbeiter des Außenministeriums? Stone wusste, was das bedeutete. Die Tarnung von US-Geheimdienstagenten war aufgeflogen, und man hatte sie ermordet. Die offizielle Sprachregelung verheimlichte der Öffentlichkeit derartige Vorgänge; so wurde es immer gemacht. Doch Stone bildete sich etwas darauf ein, stets auf dem neuesten Stand der aktuellen geopolitischen Ereignisse zu sein. Obwohl das Entgelt, das die Gemeinde ihm als Friedhofswärter zahlte, eher bescheiden war, leistete er sich die Abonnements von drei Tageszeitungen. Viele Artikel schnitt er aus und klebte sie in sein Tagebuch. Gleichzeitig nutzte er seine Erfahrung, aus der Sprache eines Artikels die Wahrheit herauszulesen.
Sein Handy klingelte, als er diesen Gedanken nachhing. Er meldete sich und lauschte, ohne Fragen zu stellen. Dann machte er sich sofort auf den Weg. Sein Freund, das Camel-Club-Mitglied Caleb Shaw, lag im Krankenhaus; ein weiterer Mitarbeiter der Kongressbibliothek war tot. In seiner Eile vergaß Stone, hinter sich das Friedhofstor abzuschließen.
Aber die Toten hatten bestimmt Verständnis dafür, dass die Lebenden Vorrang genossen.
KAPITEL 7
KAPITEL 7
Caleb Shaw lag im Krankenhausbett, umringt von den übrigen Mitgliedern des Camel Club, und schüttelte bedächtig den Kopf.
Reuben Rhodes zählte
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