Camel Club 03 - Die Spieler
beinahe hageren Gesichtszügen, wie so viele Osteuropäer ihrer Generation sie besaßen. Das ließ sich mit der schrumpligen Erscheinung, zu der seine Mutter geworden war, kaum mehr in Einklang bringen. Sein Sohn hatte recht: Sie sah überhaupt nicht nach einer Irin aus – sie war nämlich keine. Finn ähnelte seiner Mutter weit mehr als seinem Vater. »Oma ist keine Irin«, sagte er. »Dein Großvater war Ire.« Es missfiel ihm, seinen Sohn anzulügen, aber er wusste, dass er sich bei diesem Thema nicht an die Wahrheit halten konnte. Ja, sein Vater, der irische Jude. Ha-ha-ha.
»Du hast mal gesagt, er sei cool gewesen.«
»Total cool.«
»Ich hätte ihn gern gekannt.«
Ich auch, dachte Finn. Auf alle Fälle länger, als ich ihn kennen durfte.
»Woher stammt Oma denn?«
»Deine Großmutter war gewissermaßen auf der ganzen Welt daheim«, antwortete Finn ausweichend.
Zu Hause angelangt, kam Mandy ihnen an der Tür entgegen. »Harry«, sagte sie, nachdem sie Patrick zum Umziehen geschickt hatte, damit er sich bettfertig machte, »du wirst morgen in Susies Schulklasse erwartet. Es ist wieder einer von den Tagen, an denen Eltern sich und ihren Beruf vorstellen, und diesmal bist du dran.«
»Ich hab doch schon gesagt, Mandy, dass ich mich bei so was nicht wohlfühle.«
»Alle anderen Eltern machen mit. Wir können Susie nicht hängen lassen. Ich würde ja hingehen, aber ich bezweifle, dass Kochen, Hausputz und Autofahren als erstrebenswerte Laufbahn gilt.«
Finn küsste sie. »Für mich schon. Du arbeitest mehr als sonst wer, den ich kenne.«
»Du musst hin, Harry. Sonst ist Susie furchtbar enttäuscht.«
»Hör auf, Liebling. Lass gut sein.«
»Na schön. Aber wenn du dich drückst, dann sag es ihr selbst. Sie wartet oben im Bett auf dich.«
Mandy ließ ihn an der Tür stehen. Harry stöhnte auf und stapfte die Treppe hinauf.
Susie saß im Bett, umringt von ihren Stofftieren. Elf mussten mit ins Bett, denn ohne sie – ihre »Schutzengel«, wie Susie sie nannte – konnte sie nicht einschlafen. Am Fuße des Bettes hatten weitere zehn Stofftiere ihren Platz. Sie waren ihre »Ritter der Tafelrunde«.
Aus großen blauen Augen schaute sie zu Harry auf und kam ohne Umschweife zur Sache. »Kommst du morgen in die Schule, Dad?«
»Darüber habe ich gerade mit deiner Mutter gesprochen.«
»Heute war Jimmy Potts’ Mom da. Sie ist Mee-res-bi-o-lo-gin.« Susie sprach das schwierige Wort langsam aus, während sie sich die Wange rieb. »Ich weiß nicht, was das ist, Dad, aber sie hat lebende Fische mitgebracht.«
»Das hört sich ja richtig toll an.«
»Aber dein Besuch wird noch viel toller. Ich hab allen schon von dir erzählt.«
»Was hast du denn erzählt?« Susie hatte keine Ahnung, was für einem Gewerbe ihr Vater nachging.
»Dass du Soldat warst.«
»Ach so. Ja, stimmt, ich war Soldat.«
»Ich hab allen gesagt, dass du in der Marine warst«, sagte Susie im einem Tonfall, als rede sie über ein Staatsgeheimnis. »Und dass du Walross gewesen bist.«
Es kostete Finn einige Mühe, nicht zu lachen, während er ihr erklärte, dass er bei der Marine kein Walross gewesen war, sondern Angehöriger der SEAL-Kommandotruppe. Susie hatte wohl etwas durcheinandergebracht, nachdem sie kürzlich im Fernsehen eine Dokumentation über Pelzrobben gesehen hatte, deren Fell unter der Bezeichnung »Seal« oder »Sealskin« in den Handel kam. »Vergiss nicht, Schätzchen, in unserer Gegend sind viele Leute Soldaten gewesen. Das ist nichts Besonderes.«
»Aber du bist bestimmt der Beste, Dad, ich weiß es! Bitte komm, bitte!« Susie zupfte an seinem Ärmel, dann schlang sie die Arme um Harry.
Welcher Vater hätte in dieser Situation Nein sagen können? »Also gut, Schätzchen, ich komme.«
»Dad«, sagte Susie, als er das Licht ausgemacht hatte und gehen wollte. »Darf ich dich was fragen?«
»Klar, was denn?«
»Als du Soldat warst, hast du da jemanden totgemacht?« Finn lehnte sich an die Tür. Mit dieser Frage hatte er nicht gerechnet. »Joey Menkel hat nämlich erzählt«, fügte Susie hinzu, »sein Vater hätte im Irak viele böse Leute totgemacht. Und er ist auch Soldat. Hast du?«
Finn setzte sich wieder auf die Bettkante und nahm die Hand seiner Tochter. »Wenn Menschen kämpfen, werden Leute verletzt, Schätzchen«, sagte er bedächtig. »Es ist nie gut, jemanden zu verletzen. Und Soldaten tun es nur, um sich zu schützen und ihr Land, wo ihre Familien leben.«
»Hast du?«, fragte Susie hartnäckig.
»Wir
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