Camel Club 03 - Die Spieler
wie’s Ihnen gefällt, Miss Queenie. Ich sammle so lange die Wäsche ein und mache das Bad sauber.« Die Pflegerin sah die zerlesene Tageszeitung und lächelte. So senil, wie Miss Queenie gerne dastehen wollte, war sie offenbar doch nicht.
Die Frau erledigte die fälligen Arbeiten und verabschiedete sich. Erst danach setzte Finns Mutter sich wieder auf die Bettkante und griff nach dem Handy. Wie merkwürdig, dass man im Alter für Entscheidungen, die man in der Jugend im Handumdrehen traf, zuvor in sich gehen musste. Anrufen oder nicht anrufen?
Ehe sie sich wirklich entschlossen hatte, drückte ihr Finger die Kurzwahltaste.
Harry meldete sich, bevor das erste Summen verklang. Offensichtlich hatte er auf dem Display ihre Handynummer gesehen.
Sie hörte Harrys Stimme leise, aber deutlich. »Was ist passiert?«, fragte er. »Ist dir was zugestoßen?«
»Nein, mit mir ist nichts.«
»Und warum rufst du an?«
»In den Fernsehnachrichten habe ich gehört, dass er verreist ist. In die Ferien. Dieser Mensch kann in Urlaub fahren? Ist das wahr? Antworte!«
»Ich kümmere mich darum. Leg jetzt auf.«
»Aber er muss …«
»Kein Wort mehr. Leg auf. Sofort.«
»Niemand kann verstehen, was wir reden.«
»Leg sofort auf!«
Sie unterbrach die Verbindung und hängte sich das Handy wieder um den Hals. Jetzt war Harry sauer auf sie. Sie hätte ihn nicht anrufen dürfen. Doch sie hatte es sich unmöglich verkneifen können. Bei Tag und Nacht saß sie hier in dieser Anstalt, dieser Hölle, vermoderte lebendigen Leibes und dachte nur an eines. Und da musste sie plötzlich diesen Mann im TV sehen.
Sie schlurfte zum Fenster und schaute hinaus. Der Tag war schön, doch es interessierte sie nicht. Sie gehörte dieser Welt nicht mehr an. Sie war Teil der Vergangenheit, und die Vergangenheit schwand ebenfalls. Familie, Freunde, Ehemann … alle tot. Nur Harry war noch übrig. Und jetzt war er wütend auf sie. Aber er würde den Ärger verwinden. So war es immer schon gewesen. Er war ein guter Sohn; keine Mutter hätte einen besseren Sohn haben können. Sie öffnete eine Schublade und entnahm ihr das einzige Foto, das sie von ihrem Ehemann noch besaß.
Sie streckte sich auf dem Bett aus, legte sich das Foto aufs Herz und träumte von Roger Simpsons Tod.
Langsam steckte Harry Finn das Handy in die Tasche und ging zurück in die Küche, wo Mandy und die Kinder ihn tief betroffenen Blickes empfingen. Als das Handy summte und Finn die Anrufernummer erkannte, hatte er die Existenz seiner Familie für einen Augenblick völlig vergessen. In der Überzeugung, dass seine Mutter anrief, weil man sie entdeckt hatte, oder weil sie im Sterben lag, war er regelrecht aus der Küche gestürzt.
Susie hatte Müsli am Mundwinkel kleben. Patrick hatte die Gabel auf den Fußboden fallen lassen, wo Labradorpudel George jetzt das Eigelb ableckte. David war gerade dabei gewesen, die Schulbücher in die Tasche zu packen, hatte sein Tun unterbrochen und starrte seinen Vater voller Sorge an.
Mandy stand regungslos am Herd, den Spatel in der Hand, während der Pfannkuchen in der Pfanne schwarz wurde.
»Harry?«, fragte sie beunruhigt. »Ist alles in Ordnung?«
Er versuchte zu lächeln, doch der Mund gehorchte ihm nicht. »Falscher Alarm. Ich dachte schon, es wäre was falsch gelaufen. Mein Fehler.« Susie fing zu weinen an, vielleicht wegen der ungewohnten Miene ihres Vaters oder des Zitterns in seiner Stimme. Finn hob sie auf den Arm und legte ihr Gesicht an seine Wange. »He, Schätzchen, alles ist gut. Dein Daddy hat eben einen Fehler gemacht. Sonst nichts.«
Sie legte die weichen Händchen um sein Gesicht und betrachtete ihn mit jenem durchdringenden Blick, wie nur kleine Kinder ihn zustande bringen. »Versprochen?«, fragte sie leise. Die Anklänge der Furcht in ihrer Frage bohrten sich wie Dolche in Finns Herz.
Er gab ihr einen Kuss auf die Wange – zum Teil aus Kalkül, weil er dann nicht mehr ihren flehentlichen, eindringlichen Blick erwidern musste. »Versprochen. Auch dein Dad macht mal einen Fehler.« Er blickte hinüber zu seiner Frau, die sich mittlerweile ein wenig vom ersten Schreck erholt hatte. »Aber Mom nicht, stimmt’s?« Sanft kitzelte er Susie, mit der anderen Hand drückte er Patricks schmale Schulter. »Hab ich recht?«
»Klar, Daddy«, versicherte Susie.
»Klar«, pflichtete Patrick bei.
Finn fuhr seine Sprösslinge zur Schule und setzte sie dort ab. Als Letzter stieg David aus dem Auto. Er beugte sich noch einmal in
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