Camel Club 03 - Die Spieler
hat Gregori nichts unternommen, wenn er schon damals so viel wusste?« Gray beantwortete die Frage selbst. »Er hat geglaubt, dass sie noch für die Sowjets tätig ist.«
»War sie es denn nicht?«, fragte der Direktor verwirrt.
»Doch, natürlich«, beteuerte Gray beiläufig. »Und nach Grönland?«
»Leider verliert sich von da an die Spur. Möglicherweise haben wir sie ein für alle Mal verloren. Schließlich ist das Ganze schon lange her.«
»Die Spur kann sich nicht verlieren«, erwiderte Gray missmutig.
»Wo genau hatte man Solomon überhaupt tot aufgefunden? Auch darüber steht nichts in der Akte.«
Gray hob den Blick von den Unterlagen, mit denen er sich beschäftigte, und tat so, als besänne er sich auf Einzelheiten. In Wirklichkeit hatten sie sich unauslöschlich in seinem Gedächtnis eingebrannt. »In Brasilien. In São Paulo.«
»Was hatte er denn in São Paulo getrieben?«
»Das ist unklar. Für uns hat er damals jedenfalls nicht mehr gearbeitet. Lesya hatte ihn ja umgedreht.«
»Und er ist dort gestorben?«
Gray nickte. »Unsere Kontaktleute in Südamerika haben uns benachrichtigt. Wir haben eine Untersuchung vorgenommen. Aber es steht fest, dass er Selbstmord verübt hat.«
Der Direktor blickte Gray an und Gray den Direktor.
»Natürlich«, sagte der Direktor. »Und daraufhin stand Lesya allein da?«
»Sieht so aus. Sonst noch Informationen?«
»Vielleicht.«
Gray sah den Direktor selbstgefällig schmunzeln. Er erinnerte sich daran, dass der derzeitige CIA-Chef schon als junger Außendienstler von allen Männern, die er je ausgebildet hatte, einer der schlechtesten Schauspieler gewesen war, kaum fähig, ein Pokerface aufzusetzen. Dafür hatte er schon immer das ärgerliche Gehabe unverdienter Überlegenheit an den Tag gelegt. Und jetzt, als Chef der CIA, traten die negativen Eigenschaften noch stärker hervor.
»Erzählen Sie.«
»Gregori muss bei guter Laune gewesen sein. Unser Mann in Paris hat ihm zentnerweise Hummer servieren lassen, so wie Sie es empfohlen haben.«
»Und Vodka Moskovskaya? Den trinkt er am liebsten.«
»Literweise. Und wir haben auch ein, zwei Rotschöpfe rangeschafft.«
»Und?«
»Er hat gesagt, er entsinne sich an ein Gerücht, demzufolge Lesya hätte heiraten müssen.«
»Heiraten müssen ?«, wiederholte Gray begriffsstutzig.
Der Direktor bewegte die Hand vor dem Bauch.
»War sie schwanger?«, fragte Gray.
»Offenbar ist Gregori dieser Ansicht.«
Gray lehnte sich zurück. Es ist der Sohn, der die Leute ermordet. »Wenn wir den Zeitrahmen voraussetzen, über den wir sprechen, müsste das Kind inzwischen Mitte dreißig sein, oder?«
Der CIA-Direktor nickte. »Allerdings bezweifle ich, dass das Kind den Familiennamen Solomon trägt.«
»Aber wenn Lesya und Solomon in der Sowjetunion geheiratet haben, während sie schon sichtbar schwanger war … wo ist dann das Kind geboren worden? Falls sie das Land unmittelbar nach der Hochzeit verlassen haben, kann die Geburt in Polen, Frankreich, Grönland oder auch Kanada erfolgt sein.«
»Kanada? Ihr letzter bekannter Aufenthaltsort war Grönland. Wie kommen Sie jetzt auf Kanada?«
Gray betrachtete den Mann, der jetzt den wichtigsten Geheimdienst der Nation leitete. Er hatte seinen Werdegang bei der CIA begonnen, war dann in die Politik gegangen und dort geblieben, bis ein Präsident zweifelhaften Urteilsvermögens seinem Freund einen politischen Trostknochen hingeworfen und ihn zum CIA-Chef gemacht hatte. Gott stehe unserem Land bei.
»Warum sollte jemand auf dem Weg nach Westen in Grönland einreisen, wenn er nicht weiter nach Kanada will? Es gab schon damals zahlreiche Direktflüge in die Vereinigten Staaten. Und Grönland war für Spione immer ein bevorzugter Zwischenaufenthalt. Als ich noch im Außendienst tätig war, habe ich oft in Grönland einen Zwischenstopp eingeschoben, ehe ich heimgeflogen bin. In Grönland fällt es unweigerlich auf, wenn irgendwer Sie beschattet. In der Tundra sind Personen kilometerweit zu sehen.«
»Schön und gut, aber vielleicht sind sie bei uns eingereist, damit das Kind hier zur Welt kommt. Dadurch wäre es zum Bürger der Vereinigten Staaten geworden. So hätten sie es doch einfacher gehabt.«
»Ich glaube nicht, dass es so abgelaufen ist, zumindest nicht, was die Geburt betrifft. Und es dürfte weniger schwierig gewesen sein, sich nach Kanada einzuschleichen und das Kind dort zu kriegen statt in den Vereinigten Staaten. Papiere kann man jederzeit nachträglich
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