Camel Club 03 - Die Spieler
an einer Senatsmehrheit über die Sorge um das Leben eines einzelnen Senators stellte. »Gewiss«, sagte Gray. »Ich kann nachvollziehen, warum die Mehrheitsverhältnisse Ihnen wichtig sind.«
»Selbstverständlich hat der Schutz eines Menschenlebens absolute Priorität«, beteuerte der Präsident eilends.
»Ich habe nie daran gezweifelt«, versicherte Gray. Plötzlich fragte er sich, ob die Unterhaltung aufgezeichnet wurde und der Präsident diese Äußerung nur für die Nachwelt von sich gegeben hatte.
»Und was schlagen Sie nun vor? John Carrs Name ist durch die Nachrichtensendungen gegangen. Es ist ausgeschlossen, dass der Mann es nicht gehört hat. Ich glaube nicht, dass ich es so gemacht hätte, Carter. Ich hätte sämtliche Informationen unter Verschluss gehalten, solange wir nach ihm fahnden.«
Der Präsident ahnte nicht, dass Gray genau wusste, wo John Carr zu Hause war, und dass Carr sich den Namen Oliver Stone zugelegt hatte. Ohne Zweifel wusste Stone inzwischen, dass man sein Grab geöffnet und sein Geheimnis aufgedeckt hatte. Sicher war er jetzt auf der Flucht. Da der Mann einen scharfen Verstand hatte, war ihm wahrscheinlich mittlerweile auch klar geworden, dass Gray noch lebte und gegen ihn intrigierte. Gray hätte Stillschweigen bewahren und Stone ganz einfach an seinem Wohnsitz festnehmen oder liquidieren lassen können. So jedoch durfte er nicht vorgehen, weil Stone ein belastendes Beweisstück gegen ihn in der Hand hatte. Gray musste es unbedingt an sich bringen. Jetzt stand Gray die Möglichkeit zum Feilschen offen: Er beabsichtigte, das Beweisstück gegen John Carrs Leben zu tauschen. Deshalb hatte er Wert darauf gelegt, dass Carr von der Graböffnung erfuhr. Er hatte Carr in die Flucht jagen und von seinen Agenten an der langen Leine halten lassen wollen. Gray erwartete, dass er Carr auf diese Weise für Verhandlungen aufgeschlossener machte.
»Nachträglich betrachtet wäre es vermutlich die günstigste Vorgehensweise gewesen«, sagte Gray. »Aber wir müssen berücksichtigen, dass es sich nicht empfiehlt, mit Solomon, Lesya und den anderen alte Kalte-Kriegs-Geschichten ans Licht zu zerren. Russland ist derzeit in einem instabilen Zustand, und wir sollten unbedingt vermeiden, dass einstige Scharmützel nun unter die Lupe genommen werden. Offen gestanden, Sir, damals haben beide Seiten sich schmutzig verhalten, und die öffentliche Meinung muss sowohl bei uns als auch in Russland beschwichtigt werden. Wir sind schon mit den Russen in Kontakt getreten, und sie wissen, was auf dem Spiel steht. Sie haben uns bei der Behebung des Problems Unterstützung zugesagt.«
»Natürlich können Sie sich auch auf meinen Rückhalt voll und ganz verlassen, Carter. Es ist gut, dass Sie wieder im Sattel sitzen. Ich habe nie verstanden, warum Sie abgedankt haben.«
»Vielleicht verstehe ich es selbst nicht mehr.« Und ohne John Carr wäre es auch nie so weit gekommen.
Ein Hubschrauber beförderte Gray zu seinem Bunker zurück. Er blickte aus dem Fenster, während die Maschine über das ländliche Maryland flog. Irgendwo da unten war Carr auf der Flucht, und Grays Männer blieben ihm dicht auf den Fersen. Und Lesyas Sohn plante wahrscheinlich den nächsten Mordanschlag, diesmal auf den besagten John Carr. Darum hatte Gray alles an die Öffentlichkeit gelangen lassen; es war sein Vorsatz gewesen, Carr zum Ziel des Attentäters zu machen.
Nun musste Gray nur noch dafür sorgen, dass er sich vorher mit Carr einigte und ihm vortäuschte, dass er ihm für eine bestimmte Gegenleistung das Leben schenkte. Dann konnte Lesyas Sohn ihn um die Ecke bringen. Und danach würden sie Lesya und ihren Sohn beseitigen, ein für alle Mal, einen Schlussstrich unter die alten Schoten ziehen. Und was Roger Simpson betraf, war es Gray völlig egal, ob der Mann abkratzte oder am Leben blieb.
Zugegeben, der Plan war kompliziert. Doch in Carter Grays Welt schien überhaupt nichts Unkompliziertes zu existieren.
KAPITEL 60
Als Annabelle ins Hotel zurückkehrte, wartete Paddy im Zimmer auf sie.
Annabelle schnupperte in der Luft. »Du hast nicht geraucht.«
»Ich habe die Zigaretten in den Abfall geworfen.«
»Warum?«
»Wenn wir es mit Bagger aufnehmen wollen, muss ich in kampfkräftiger Verfassung sein.«
Er wirkte wild entschlossen und zugleich schrecklich gebrechlich, sodass er einem unbeugsamen kleinen Jungen ähnelte, der auf Teufel komm raus einem körperlich überlegenen Schläger trotzen wollte. In diesem Moment
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