Camel Club 03 - Die Spieler
Stones leerem Friedhofsgärtnerhäuschen entfernt, in der Nähe der Ecke M Street und Wisconsin Avenue, in einem Café an einem Tisch. Annabelle sah zum Fenster hinaus. Alex behielt Annabelle im Auge. Er hatte das Mienenspiel und die Körpersprache der Menschen zu deuten gelernt. Diese Lady ließ sich nur mit Schwierigkeiten durchschauen, doch es war unverkennbar, dass sie unter starkem Stress stand.
»Warum denn jetzt der plötzliche Anruf?«, fragte Alex. »Ich habe nicht angenommen, dass wir uns wiedersehen.«
»Was soll ich sagen? Ich habe eine Schwäche für große Cops.«
»Muss ich das als Hilferuf übersetzen?«
»Wie viel wissen Sie?«
»Oliver hat mich gebeten, ihm Informationen über Bagger zu besorgen, und ich habe sie ihm verschafft. Anscheinend waren Milton und Reuben in Atlantic City, vermutlich im Kasino Pompeji. Derzeit halten sie sich Oliver zufolge versteckt. Auch sie zähle ich zu meinen Freunden. Wenn sie in Gefahr schweben, will ich alles darüber erfahren, damit ich nicht nur Ihnen, sondern auch den beiden helfen kann.«
»Ist es Ihre Aufgabe, herumzulaufen und Leuten zu helfen?«
»So steht es in meiner Jobbeschreibung. Nun erzählen Sie mir mal etwas über Sie und Bagger. Und warum ist Oliver in Maine gewesen?«
»Ich habe den Eindruck, Sie wissen schon alles.«
»Alles und nichts. Wenn Sie wirklich an meinem Beistand interessiert sind, müssen Sie mir vertrauen.« Alex hob den Kopf, weil Annabelle verdrossen zur Seite schaute. »Ich habe den Verdacht, Ihnen fällt es nicht leicht, jemandem zu trauen.«
»Diese Philosophie hat mir im Lauf der Jahre sehr gute Dienste geleistet.«
»Daran zweifle ich nicht. Aber Sie sollten wissen, dass ich Oliver mehr als einmal den Rücken gedeckt habe. Und ich vertraue ihm mit Leib und Leben.«
»Ich weiß, er hat davon gesprochen. Mit Ihnen würde er Pferde stehlen.«
Alex lehnte sich in den Sessel. »Da sehen Sie’s. Also, vielleicht kann ich Ihnen ja behilflich sein, wenn Sie es über sich bringen, mir zu vertrauen.«
Annabelle atmete tief ein. Alex’ Rückhalt zu gewinnen war für den Plan ihres Vaters, Bagger seiner Verbrechen zu überführen, von entscheidender Bedeutung. Doch selbst mit diesem Ziel vor Augen tat sie sich verdammt schwer. Sie hockte hier mit einem Cop zusammen – nein, keinem gewöhnlichen Polizisten, vielmehr einem Secret-Service-Mitarbeiter. Einem Mann, der sie möglicherweise im Handumdrehen festnahm, falls ihr ein Fehler unterlief. Auf der Herfahrt war ihr alles so einfach erschienen. Jetzt wirkte es mit einem Mal undurchführbar.
Komm, Annabelle. Du schaffst es.
Sie holte noch einmal tief Luft und entschied sich für etwas, was sie sonst nie tat. Sie warf ihre Grundsätze über Bord und beschloss, die Wahrheit zu sagen. Oder wenigstens einen Teil der Wahrheit.
Rasch fasste sie das Wesentliche zusammen. Bagger hatte ihre Mutter ermordet. Jetzt hielt er sich hier in der Stadt auf. Gemeinsam mit ihrem Vater wolle sie ihn zur Rechenschaft ziehen. Dass sie und ein paar Freunde von Baggers Gorillas entführt und beinahe ermordet worden waren, wusste Alex schon. »Beweise habe ich für all das leider nicht«, fügte Annabelle zum Schluss hinzu. »Zumindest keine, die vor Gericht hieb- und stichfest wären. Aber es ist die Wahrheit.«
»Ich glaube Ihnen. Allerdings waren meine Kollegen reichlich sauer, als sie einen Einsatz fuhren, um sich die Burschen zu schnappen, und niemand war da.«
»Darüber war ich genauso wütend.«
»Warum ist Bagger hinter Ihnen her?«
Gewohnheitsmäßig schaltete Annabelle auf Unwahrheit um. »Er weiß, dass ich ihm den Mord an meiner Mutter nachweisen will. Er hat erfahren, dass ich in Maine war, wo der Mord geschehen ist. Also will er verhindern, dass ich irgendetwas finde, das ihn auf Dauer hinter Gitter bringt.«
Alex trank Kaffee und beobachtete Annabelle mit größter Aufmerksamkeit. Entweder war sie die begabteste Lügnerin, die ihm je über den Weg gelaufen war, oder sie hielt sich an die Wahrheit. »Und jetzt haben Sie sich mit Ihrem Vater verbündet? Auf welche Weise wollen Sie Bagger denn hereinlegen?«
»Mein Vater täuscht vor, mich an Bagger auszuliefern. Bagger sackt mich ein, ich entlocke ihm ein Geständnis, und die Polizei schnappt zu.«
»Das ist Ihr Plan?«
»Ja. Warum?«
»Weil er eine Million Ungereimtheiten aufweist. Und jede kann Ihren Tod bedeuten.«
»Es ist bloß das grobe Konzept. Das Wichtige steckt in den Details. Es kommt immer auf die Kleinigkeiten
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