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Camus, Albert

Camus, Albert

Titel: Camus, Albert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Mensch in der Revolte
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die deutsche Ideologie. Er war zum Absoluten gegangen, wie er bis zur totalen Zerstörung gehen sollte, aus der gleichen Leidenschaft, seinem wütenden ‹Alles oder nichts›.
    Nach dem Lob der absoluten Einheit wirft sich Bakunin auf den primitivsten Manichäismus. Er will zweifellos am Schluss «die universale und echt demokratische Kirche der Freiheit›. Das ist seine Religion; er ist ein Kind seiner Zeit. Es ist indessen nicht sicher, dass sein Glaube in dieser Hinsicht vollständig gewesen ist. In seinem an Nikolaus I. gerichteten ‹Bekenntnis› scheint er aufrichtig, wenn er sagt, erhabe an die Endrevolution immer nur glauben können «durch eine schmerzliche und übernatürliche Anstrengung, die innere Stimme gewaltsam erstickend, die mir die Sinnlosigkeit meiner Hoffnungen zuraunte». Sein theoretischer Amoralismus ist dagegen viel fester, und man sieht ihn dauernd sich in ihm tummeln mit dem Behagen und der Freude eines feurigen Tieres. Die Geschichte wird von zwei Prinzipien geleitet, dem Staat und der sozialen Revolution, der Revolution und der Gegenrevolution, die es nicht zu versöhnen gilt, sondern die in einen Kampf auf Leben und Tod verwickelt sind. Der Staat ist das Verbrechen. «Der kleinste und harmloseste Staat ist in seinen Träumen noch verbrecherisch.» Die Revolution ist das Gute. Dieser Kampf, der über die Politik hinausgeht, ist auch der Kampf der luziferischen Prinzipien gegen das göttliche Prinzip. Bakunin führt ausdrücklich in die Tat der Revolte eines der Themata der romantischen Revolte ein. Schon Proudhon verfügte, dass Gott das Böse sei, und rief aus: «Komm, Satan, verleumdet von den Kleinen und den Königen!» Bakunin lässt auch die Tiefe einer anscheinend politischen Revolte durchblicken: «Das Böse ist die satanische Revolte gegen die göttliche Autorität, eine Revolte, in der wir im Gegenteil den fruchtbaren Keim aller Emanzipationen erblicken. Wie die Böhmischen Brüder im 15. Jahrhundert erkennen sich die sozialistischen Revolutionäre heute an den Worten: ‹Im Namen dessen, dem man großes Unrecht getan hat›.»
    Der Kampf gegen die Schöpfung ist also ohne Gnade noch Moral, das alleinige Heil liegt in der Ausrottung. «Die Leidenschaft der Zerstörung ist eine schöpferische Leidenschaft.» Die glühenden Worte Bakunins über die 48er Revolution 58 schreien die Freude am Zerstören leidenschaftlich indie Welt. «Fest ohne Anfang noch Ende», sagt er. Für ihn wie für alle Bedrückten ist in der Tat die Revolution das Fest im heiligen Sinn des Wortes. Man denkt hier an den französischen Anarchisten Cœurderoy 59 , der in seinem Buch: ‹Hurra, oder die Revolution durch die Kosaken› die Horden aus dem Norden herbeirief, um alles zu verwüsten. Auch er wollte «die Brandfackel in das Haus des Vaters werfen» und rief aus, er setze seine Hoffnung nur in die menschliche Sintflut und das Chaos. In allen diesen Manifestationen ist die Revolte im Reinzustand erfasst, in ihrer biologischen Wahrheit. Deshalb war Bakunin auch der Einzige seiner Zeit, der Wissenschaft, dem Idol seiner Zeitgenossen, mit außergewöhnlicher Gedankentiefe den Krieg zu erklären. Gegen jede Abstraktion sprach er für den ganzen Menschen, der sich voll und ganz mit seiner Revolte identifiziert. Wenn er den Räuber verherrlicht, den Rebellenführer, wenn seine Vorbilder Stenka Rasin und Pugatschew sind, so deshalb, weil diese sich ohne Doktrin noch Prinzipien für ein Ideal der reinen Freiheit schlugen. Bakunin führt in die Revolution das nackte Prinzip der Revolte ein. «Sturm und Leben, das ist, was uns fehlt. Eine neue Welt ohne Gesetze und infolgedessen frei.»
    Doch ist eine Welt ohne Gesetz eine freie Welt? Das ist die Frage, die jede Revolte stellt. Wollte man Bakunin darauf um Antwort fragen, so wäre sie nicht zweifelhaft. Obwohl er sich bei jeder Gelegenheit und mit äußerster Klarsicht dem autoritären Sozialismus entgegengestellt hat, stellt er doch die Gesellschaft der Zukunft, sobald er sie zu charakterisieren hat, ohne sich um den Widerspruch zu kümmern, als Diktatur dar. Die Statuten der Internationalen Bruderschaft (1864 – 67), die er selbst entwarf, sehen schon die völlige Unterordnungdes Einzelnen während der Dauer der Aktion vor. Dasselbe gilt für die Zeit nach der Revolution. Er erhofft für das befreite Russland «eine starke diktatorische Macht, von Anhängern umgeben, erleuchtet durch ihre Ratschläge, gefestigt durch ihre freiwillige Mitarbeit, aber von

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