Camus: Das Ideal der Einfachheit. Eine Biographie (German Edition)
enthalten. Darüber hinaus hat das Lektorenkomitee die Auflage, sich an einer von der NS -Propaganda zusammengestellten «Gesamtliste des fördernswerten Schrifttums» zu orientieren.
Camus, der sich ein paar Jahre zuvor geweigert hatte, eine Lehrerstelle in der algerischen Provinz anzunehmen, die seinem Lebensideal widersprach, tritt die Lektorenstelle bei Gallimard Ende 1943 ohne Zögern an. In seiner Freizeit wechselt der geräuschlos kollaborierende Gallimard-Lektor den Schreibtisch und unterstützt Pascal Pia in der geheimen Untergrundredaktion des
Combat
. Es kommt vor, dass er Mitarbeiter der Untergrundbewegung in seinem Verlagsbüro empfängt. Die Widersprüche dieses Lebens könnten kaum größer sein.
In der Pariser Bohème
Am 7 . November 1943 wird Camus dreißig Jahre alt. Er hat das Pariser Lehrerpaar Sartre und Beauvoir kennengelernt, er sitzt mit den berühmtesten französischen Schriftstellern in der Jury des «Prix de la Pléiade», er arbeitet beim renommiertesten Verlag Frankreichs, er verbringt seine Abende in den Cafés von Saint-Germain-des-Prés. Man trifft sich in der Wohnung von Michel Leiris oder im Zimmer von Simone de Beauvoir. Die Stimmung ist gelöst, es wird viel geraucht, viel getrunken, viel gescherzt. Man veranstaltet heitere Zimmertheateraufführungen mit Camus, Sartre, Beauvoir, Picasso, Leiris, Lacan und Éluard mal in den Hauptrollen, mal in den Zuschauerreihen.
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Illustre Zimmertheateraufführungen im besetzten Paris, mit Picasso, Beauvoir, Sartre u.a.
Zum Jahreswechsel 1943 / 44 inmitten der Pariser Bohème: Camus trägt gestreifte Anzüge mit Einstecktuch, schwere Tuchmäntel, deren Kragen kleidsam hochgeschlagen werden. Und immer die Zigarette im Mundwinkel. Es ist der dritte Winter der Okkupation. Hat man die Ausgangssperre um Mitternacht verpasst, bleibt man die Nacht über zusammen. Im Morgengrauen fährt Camus dann mit dem Fahrrad durch die menschenleere Stadt nach Hause. Eine schöne Frau vor sich auf der Fahrradstange.
Ein Widerstandsleben ist das nicht. Während Pia in die Leitung des Comité national de la Résistance aufsteigt und von der Gestapo gesucht wird, führt Camus im besetzten Paris ein mondänes Literatenleben als Dandy und Angestellter eines kollaborierenden Verlagshauses. Er hat sich wieder einmal verliebt. Diesmal in die zweiundzwanzigjährige Schauspielerin Maria Casarès, die er im Salon von Michel Leiris trifft und mit der er ein stadtbekanntes Verhältnis eingeht; die beiden werden ein glamouröses Liebespaar, Stars der Pariser Nachtclubs. Francine ist im fernen Oran. Sartre bittet seinen späteren Rivalen, sein neues Theaterstück
Hinter geschlossenen Türen
zu inszenieren und auch eine Rolle darin zu übernehmen. Man führte ein heftiges, wild bewegtes Leben inmitten einer «Attrapenwelt», wird Sartre in der Rückschau schreiben. [170]
Die Deutschen, die tagsüber in ihren feldgrauen Uniformen überall in den Cafés brav ihre Limonade trinken und nachts so geräuschlos wie möglich Feinde verhaften, foltern und exekutieren, werden im Alltag übersehen wie Möbelstücke, die einem nicht gefallen, an die man sich aber schließlich gewöhnt hat. Während die Alliierten die Landung in der Normandie vorbereiten, um Frankreich zu befreien, lebt man in Paris mit einer solchen Gier, als wären es die letzten Tage der Menschheit.
Maria besucht ihren Geliebten in seinem Atelier. Das Paar verbringt leidenschaftliche Wochen zusammen, denn das Ende des Krieges, so ist es beschlossen, soll auch das Ende ihrer Liebe sein – es sei denn, man mache den Traum wahr und fliehe gemeinsam nach Mexiko. Vorerst lebt man zusammen, man ist, wie Maria Casarès später in ihren Memoiren schreiben wird, «stolz aufeinander, man trägt sich gegenseitig, man treibt sich gegenseitig voran, man brennt um die Wette, lacht gemeinsam, quält sich gemeinsam, tanzt zusammen, bekämpft sich, entzündet sich aneinander in einer vollkommenen Unschuld, in der königlichen Freiheit, die man der Zeit gestohlen hat, in den Tagen, die einem noch gemeinsam bleiben sollten bis … zum Ende des Krieges.» [171]
Pascal Pia hat jetzt die Organisation und Koordination sämtlicher Untergrundaktivitäten der Combat-Bewegung übernommen und muss die Chefredaktion der gleichnamigen Untergrundzeitung abgeben; im Frühjahr 1944 bietet er Camus seinen Posten an, und der willigt sofort ein. Nach ihrer gemeinsamen Arbeit beim
Alger républicain
, beim
Soir
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