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Canale Mortale (German Edition)

Canale Mortale (German Edition)

Titel: Canale Mortale (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Schumacher
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starken Brillengläsern auf einer der beiden kunstvoll
geschnitzten Seitenbänke und beäugte sie misstrauisch. Unbefugten war der
Zutritt hier verboten. Aus den Fenstern des Innenhofs schallten Opernarien,
Klaviermusik und Orchesterstücke der übenden Studenten und mischten sich zu
einem kakophonen Sammelsurium. Antonia ließ sich dem misstrauischen jungen Mann
auf der Holzbank gegenüber nieder und starrte ungeduldig auf die Glastür, die
zum Innenhof des Konservatoriums führte. Florian musste jeden Augenblick dort
erscheinen, denn um diese Zeit machte er gewöhnlich Mittagspause.
    Das Bleiglas der Tür war verschmutzt, und ein Student, der mit
seinem Kontrabass auf dem Rücken den Hof überquerte, erinnerte sie an einen
großen Karpfen in einem schlecht gereinigten Aquarium. Von links schwebte jetzt
eine zierliche Studentin mit Geigenkasten wie ein Seepferdchen heran und blieb
bei dem Karpfen stehen.
    Alle möglichen Gedanken schossen Antonia durch den Kopf. Wie sollte
sie bei diesem Fall weiterkommen? Man konnte den Conte trotz seiner Erkrankung
auf Dauer nicht schonen. Aber vielleicht würde er sie jetzt ohnehin aus dem
Haus werfen, weil sie unerlaubt im Allerheiligsten, dem Zimmer seiner
verstorbenen Tochter, gewesen war. Vielleicht hielt er sie für eine Diebin. Sie
musste unbedingt mit Octavia sprechen.
    Endlich sah sie Florian mit zwei anderen Musikern über den Hof
kommen. Die drei unterhielten sich lachend, als sie die Halle betraten.
Florians Gesicht nahm einen überraschten Ausdruck an, als er sie entdeckte,
offenbar erfasste er sofort, dass etwas Unangenehmes passiert war.
    »Du siehst blass aus!«
    Er verabschiedete sich rasch von den Kollegen, hakte sich bei
Antonia unter und führte sie zur »Blue Art Bar« am Campo San Stefano. Der Platz
bebte von Leben. Obwohl vom Meer her dunkle Wolken aufzogen, brannte die Sonne
heiß. Die Tische vor den Cafés waren dicht besetzt, man trank Spritz oder
Kaffee und plauderte angeregt. Am Fuß des Dichterdenkmals lagerten junge Leute
und machten Musik, auf dem Kopf des Dichters hatte sich eine Taube
niedergelassen. Florian steuerte einen gerade frei werdenden Tisch an und
bestellte bei dem Kellner, der in der Tür lehnte und vor sich hin döste, Milchkaffee
und Tramezzini.
    Als sie Platz genommen hatten, versuchte Antonia ihm zu erklären,
wie sie in ihre unangenehme Lage gekommen war.
    »Was hast du denn da überhaupt gesucht?«, fragte Florian, als sie
geendet hatte.
    »Es war Zufall. Es war keiner da, in der Küche nicht und im Salon
auch nicht. Da bin ich einfach weitergegangen und in Cecilias Zimmer gelandet.
Was wird der Conte jetzt von mir halten? Vielleicht denkt er, ich wollte etwas
stehlen …«
    Florian versuchte, den Vorfall herunterzuspielen. Aber Antonia
spürte, dass er sie beruhigen wollte. In Wirklichkeit war es von ihnen beiden
Florian, der Regelverletzungen nicht ausstehen konnte. Nervös knüllte sie ihre
Serviette zusammen. Ihr war der Appetit vergangen, und sie schob ihren Teller
mit den Tramezzini von sich weg, als der Kellner ihre Bestellung vor sie
hinstellte.
    Florian schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, dass er dich für
eine Diebin hält. Dann hätte er doch etwas gesagt oder nach Giovanna gerufen
oder nach der Polizei. Ich denke, Octavia sollte ihn jetzt schleunigst
einweihen, damit deine Rolle im Haus für ihn klar ist.«
    »Ach, Florian, es war so peinlich. Du hättest sein Gesicht sehen
sollen! Es war zunächst fast freundlich, eher erwartungsvoll. So als habe er
für einen Moment geglaubt, seine tote Tochter wiederzusehen.«
    Antonia zerschnitt die dreieckigen Weißbrotscheiben in immer
kleinere Stücke, ohne davon zu essen. Florian nahm ihr ungeduldig den Teller
weg. »Ich kann nicht sehen, wie du mit dem Essen herumspielst. Möchtest du
etwas anderes essen?«
    Antonia hörte nur halb hin. »Dann hat sich der Ausdruck in seinen
Augen plötzlich verändert, so als würden sie sich verschleiern, als schaue er
nach innen …«
    »Das konntest du alles erkennen?« Florian machte sich über Antonias
Portion her und kaute ungerührt weiter. »Ich dachte, es war dunkel?«
    Er schien der Sache tatsächlich wenig Bedeutung beizumessen, aber
Antonia konnte sich nicht beruhigen.
    »Ich bin vor Schreck auf ihn zugegangen und habe seinen Arm
angefasst, um ihn zu beschwichtigen. Aber er hat meine Hand abgeschüttelt, als
sei sie eine Fliege, und nur gemurmelt, er werde mit seiner Tochter sprechen.«
    »Er fand dich wohl nur unhöflich.

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