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Canale Mortale (German Edition)

Canale Mortale (German Edition)

Titel: Canale Mortale (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Schumacher
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Welt. Dann nahm er rasch einen Schluck Wein und
blickte nach unten auf seinen halb geleerten Dessertteller.
    »Leider nicht, leider nicht …«, murmelte er, als spräche er mit sich
selbst. Zu seiner Tochter gewandt fuhr er lauter fort: »Octavia, würdest du mir
die Freude machen und noch etwas für uns spielen? Giovanna soll den Kaffee in
den Salon bringen. Diana, bitte hilf deiner Mutter mit den Noten.«
    Dann erhob er sich und ging, nur leicht gebeugt, aus dem Raum.
Octavia und Jana folgten ihm in den Salon. Ugo blieb sitzen und machte eine
Grimasse.
    »Die drei großen T! Uaaaaah!« Er steckte einen Finger in den geöffneten
Mund, als ob er sich übergeben wollte, und machte leise Würgegeräusche.
    »Na, na, junger Mann! Etwas mehr Respekt, bitte!« Florian zog ihn
lachend vom Stuhl hoch. »Hast du dich schon um die Tickets gekümmert?«
    Die beiden wollten am Wochenende zusammen zum Fußballstadion fahren,
um sich das Pokalspiel gegen Triest anzusehen. Ugo nickte und prophezeite, dass
die »geflügelten Löwen« auch diesmal wieder verlieren würden. Aus dem Salon
klangen jetzt Klaviertöne. Antonia, Florian und Ugo folgten den anderen in den
angrenzenden Raum.
    »Was ist es denn?«, fragte Antonia.
    »Schubert!«, flüsterte Florian, als sie sich auf einem der
durchgesessenen Samtsofas niederließen.
    »Und?«
    »Nicht schlecht.« Florian schloss genießerisch die Augen.
    Später, als sie schon im Bett lagen, fiel Antonia ein, dass sie
vergessen hatte, Jana nach dem »Ufer der sieben Märtyrer« zu fragen. Sie
rüttelte Florian, der schon eingeschlafen war, sanft an der Schulter. Er
schreckte hoch.
    »Wie? Was ist denn?«
    »Florian, glaubst du, dass es hier in Venedig Christenverfolgungen
gegeben hat?«
    »Wie bitte? Hat das denn nicht Zeit bis morgen früh? Ich hab schon
geschlafen …«
    »Gab es nun deines Wissens Christenverfolgungen oder nicht?«
    Florian gähnte herzhaft. Dann setzte er sich auf und knipste die
Nachttischlampe an.
    »Das kann ich mir nicht vorstellen. Zur Zeit Roms gab es hier nur
Wasser und damit nirgendwo ein Ufer. Die ersten Siedler saßen bis ins 10. Jahrhundert
auf Torcello, hier war also vermutlich außer ein paar Sandbänken noch gar
nichts.«
    »Und das Mittelalter? Da gab’s doch auch Märtyrer? Menschen sind
damals für ihre Überzeugungen gestorben. Ich habe hier eine Promenade entdeckt,
die Riva dei Sette Martiri heißt. Es hat mich irgendwie fasziniert, weil der
Name mich an das Rätsel der ›7  M ‹ erinnert.
Ich muss unbedingt wissen, um welche Märtyrer es sich handelt.«
    »Ich kann Davide fragen, einen Kollegen. Er ist Venezianer und kennt
sich aus. Und jetzt lass mich bitte schlafen, ich habe morgen eine sehr
schwierige Partie zu bewältigen. Etwas Modernes.«
    Eine halbe Minute später hörte Antonia ein leises Schnarchen an ihrer
Seite. Sie selbst lag noch eine Weile wach und spürte dem sanften Auf und Ab
der Wellen nach, das sich durch die wenigen Tage in der Stadt in ihren Körper
eingeschrieben hatte. Ihr Gehirn hatte den Rhythmus des Meeres gespeichert.
Vielleicht sind die Venezianer durch ihren Alltag an und auf dem Wasser eher
daran gewöhnt, dass im Leben nicht alles geradlinig, sondern in einem Auf und
Ab verläuft, dachte sie, während sie einschlief.

6
    Am anderen Morgen wurde sie erst gegen zehn Uhr wach.
Etwas hämmerte und klopfte in ihrem Kopf. Sie hatte gar nicht mitbekommen, dass
Florian aufgestanden war und das Apartment verlassen hatte. Das Hämmern und
Klopfen kam vom Trockenboden, der am Ende des Flurs lag und auf dem offenbar
Handwerker zugange waren. Sie erinnerte sich, dass Jana davon gesprochen hatte,
Flavia habe sich neulich beschwert. Es habe an einer Stelle unter dem Dach, wo
sie bei schlechtem Wetter die Wäsche aufhängte, hereingeregnet. Das Dach müsse
unbedingt repariert werden. Ihr Bruder Andrea sei Dachdecker und könne sich die
Sache anschauen.
    Antonia duschte kurz, schlüpfte in Jeans und Sweatshirt und
beschloss, in einer Bar zu frühstücken. Als sie in den Flur trat, hörte sie vom
Dachboden her Stimmen. Es waren wohl zwei oder drei Männer, die dort arbeiteten.
Als sie hinunterging und am Piano Nobile, dem Wohnbereich der Familie,
vorbeikam, fand sie die Tür nur angelehnt. Weder Octavia noch Jana waren zu
sehen. Jana war in der Uni, und Octavia machte wahrscheinlich Besorgungen.
    Antonia ging in die altmodische Küche, in der Hoffnung, Giovanna zu
finden, mit der sie sich über Flavia und deren Aufgaben im Palazzo

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