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Canale Mortale (German Edition)

Canale Mortale (German Edition)

Titel: Canale Mortale (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Schumacher
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Leute in ihrem Einheitslook aus Jeans und T-Shirts entdeckte. Er
trug einen cremefarbenen Anzug und eine hellblau-weiß gestreifte Seidenkrawatte
und wirkte sehr distinguiert. Sie atmete tief durch, straffte sich und ging –
scheinbar entspannt – an seinen Tisch. Sie hatte Guido bisher nur aus der Entfernung
gesehen und nicht erwartet, dass er aus der Nähe so attraktiv wirkte. Er war
groß, hatte ein gut geschnittenes Gesicht und lebhafte dunkle Augen. Es
verwirrte sie, als er aufstand und ihr die Hand gab. Sein dunkles Haar, das
vorne schon etwas gelichtet war, hatte er leicht gegelt, wodurch für Antonia
der positive Gesamteindruck etwas getrübt wurde, aber sein Aftershave roch
angenehm nach Vetiver.
    »Möchten Sie etwas trinken?«
    Guidos Stimme war in Wirklichkeit noch anziehender als am Telefon.
    »Gerne. Einen Kaffee bitte.«
    Guido bestellte Kaffee, Wein und zwei Gläser. Für einen Mann in den
Vierzigern sieht Guido verdammt gut aus, ging es Antonia durch den Kopf. So
eine Art venezianischer George Clooney. Guidos Augen schauten unverwandt in
ihre, und sie wurde ein wenig unruhig.
    »Es ist schön, eine Freundin von Jana kennenzulernen. Meine Nichte
bedeutet mir sehr viel.«
    Er sprach fließend Englisch, und seine Stimme hatte diesen tiefen,
einschmeichelnden Ton, bei dem Antonia geneigt war, mehr auf den Klang als auf
den Inhalt des Gesagten zu achten. Sie hatte ein paar Sekunden nicht genau
hingehört, und Guidos Frage brachte sie in die Realität zurück.
    »Worüber wollten Sie mit mir sprechen?«
    »Können Sie mir zusichern, unser Gespräch vertraulich zu behandeln?
Octavia, Ihre Schwägerin, macht sich große Sorgen. Die Familie wird in der
letzten Zeit bedroht.«
    Antonia erzählte von den Briefen und beobachtete Guido dabei
aufmerksam, aber sein Gesicht blieb entspannt, seine Augen blickten arglos.
    »Sie sind alle mit ›7  M ‹
unterzeichnet. Was könnte das Ihrer Meinung nach bedeuten?«
    Guido zog die Schultern hoch und hob beide Hände gen Himmel.
»Madonna, woher soll ich das wissen? Das kann vieles bedeuten. Mir sagt es
nichts. Ich habe nie davon gehört.«
    Der Kellner brachte den Wein und die Gläser. Guido schenkte ihnen
beiden ein und prostete ihr zu: »Salute!«
    Antonia, die tagsüber selten Alkohol trank, genoss den gut gekühlten
Weißwein. Nach einigen Schlucken spürte sie, wie sich eine angenehme Wärme in
ihr ausbreitete.
    »Ich frage mich, ob Sie als Schwiegersohn etwas über die Vergangenheit
der Familie wissen. Zum Beispiel über die Rolle des Conte im Zweiten Weltkrieg.
Hat Ihnen Ihre Frau darüber jemals etwas erzählt?«
    »Warum interessiert Sie das? Was hat das mit Jana zu tun?«
    »Jana würde es gerne wissen. Sie traut sich aber nicht, ihren Großvater
danach zu fragen. Aber sie hat über Giovanna, die Köchin, von Gerüchten
gehört.«
    Antonia hatte sich diese Geschichte auf dem Weg zu ihrem Treffen
ausgedacht, um Guido glauben zu lassen, dass allein die Freundschaft zu Jana
und die Sorge um sie ihre Nachforschungen motivierten. Guidos Miene blieb
reserviert.
    »Mit mir hat sie nie über diese Zeit gesprochen. Was den Zweiten
Weltkrieg angeht, so weiß ich von meiner verstorbenen Frau Cecilia, dass der
Vater des Conte sich zwar aus der Politik herausgehalten hat, während der
deutschen Besatzung jedoch hohe Nazi-Offiziere in sein Haus einlud oder mit
ihnen zum Essen ging. Cecilia nahm an, dass er das deshalb tat, um die
Deutschen bei Laune zu halten und am Kunstraub zu hindern. Schon Janas
Urgroßvater hatte eine beachtliche, über Italien hinaus bekannte Kunstsammlung.
Mauros Vater hat wohl das Museum und seine eigene Sammlung schützen wollen.«
    »Nach außen muss es doch wie Kollaboration ausgesehen haben …«
    »Ja, ich glaube, einige Venezianer haben das Mauros Vater übel
genommen. Aber Mauro selbst, mein Schwiegervater, hatte wohl mit diesen Dingen
nichts zu tun, dafür war er noch zu jung.«
    Antonias Blick hing an Guidos wohlgeformter Hand, die jetzt das
Weinglas spielerisch hin- und herdrehte. Guido schaute abwesend in das Glas,
bis er plötzlich aufsah und Antonia wieder direkt anblickte. Sie wurde unter
seinem Blick etwas unsicher und versuchte, professionell zu klingen.
    »Ich würde Sie gern noch etwas Persönliches fragen. Warum haben Sie
und Ihr Schwiegervater diesen Streit? Jana hat mir erzählt, dass sie die
Einzige aus der Familie ist, die noch Verbindung zu Ihnen hält.«
    Sie war gespannt, wie Guidos Version dieses Konflikts aussah.

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