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Canale Mortale (German Edition)

Canale Mortale (German Edition)

Titel: Canale Mortale (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Schumacher
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aber man hat ihm seine
Kontakte übel genommen. Er hätte sich mit seinem Einfluss stärker um die
Rettung von Menschenleben verdient machen können. Genaueres weiß ich aber
nicht. Das müssen Sie schon Mauro selbst fragen. Oder Alba, seine Schwester.«
    Um kurz vor fünf betrat Antonia das Café »Quadri« am
Markusplatz, das Stammcafé des Conte.
    Octavia saß mit ihrem Vater in der Ecke, in der sich der Conte seit
Jahrzehnten niederließ, um seinen Kaffee zu trinken und die Zeitung zu lesen.
Antonia blieb kurz am Tresen stehen. Sie bemerkte zum ersten Mal, wie ähnlich
sich Vater und Tochter waren. Octavia hatte dieselbe scharf geschnittene Nase
wie ihr Vater, die helle Haut, die sich über die hohen Wangenknochen spannte,
und dieselbe Art, sich gerade zu halten.
    Antonia trat an den Tisch und grüßte. Der Conte sah kaum hoch, bat
sie jedoch, sich zu setzen.
    »Ich war mit Don Orione auf San Giorgio. Er hat mir den wunderbaren
Ausblick vom Campanile gezeigt«, begann sie das Gespräch.
    Während Octavia ihr freundlich beipflichtete, sah der Conte
schweigend vor sich hin. Als Antonia davon schwärmte, wie grandios die Sicht
auf die Alpen sei, fiel er ihr ins Wort.
    »Haben Sie Tintorettos späte Fassung vom ›Letzten Abendmahl‹ in der
Kirche gesehen? Haben Sie gesehen, wie er den Bildraum füllt?«
    Antonia musste passen. »Wir haben nur den Turm besichtigt, Don
Orione hatte heute nicht viel Zeit …«
    Der Conte schien ihr nicht zugehört zu haben. »Gegenüber hängt sein
Bild ›Die Manna-Lese‹. Dort kann man noch besser erkennen, wie er Figuren im
Raum anordnet. Es ist ganz einzigartig. Hat es Ihnen gefallen?«
    »Es tut mir leid. Wie ich schon sagte, heute konnte ich mir die
Bilder nicht ansehen, ich fahre aber mit Jana noch einmal hin.«
    »Ist Ihnen aufgefallen, wie er die Menschen so im Bild verteilt,
dass eine Art Bewegung entsteht, wie ein Dekor und …«
    »Heute Morgen hat Jana mich zum Archiv des ›Gazzettino‹ begleitet.«
    Diesmal unterbrach Antonia den Conte. Dabei blickte sie ihm prüfend
ins Gesicht, um zu sehen, wie er reagierte.
    »Man hat uns alles über die sieben Märtyrer erzählt, die man an der
Riva dell’Impero erschossen hat. Ich habe eben auch mit Don Orione über diese
Vorfälle gesprochen. Er konnte sich daran erinnern, obwohl er damals noch ein
Kind war.«
    Der Conte nickte, zeigte aber keine Reaktion. »Dies alles ist sehr
lange her. Geschichte … tempi passati …« Dann begann er wieder mit seinem
Lieblingsthema: »Ich sage immer: die drei großen T: Tizian, Tintoretto und …«
    Antonia vollführte eine so heftige Geste, dass sie ihr Glas anstieß
und Mineralwasser auf die marmorne Tischplatte spritzte. Hastig wischte sie mit
ihrer Serviette über den Tisch, ohne jedoch die Augen von Conte Falieri
abzuwenden.
    »Und Sie, Conte, was wissen Sie über die Sette Martiri?«
    Octavia, die ihr gegenübersaß, erschrak. Erst jetzt schien sie den
Zusammenhang mit den Briefen zu verstehen.
    Überraschenderweise sah der Conte plötzlich auf und nickte. »Si!
Diese Vorkommnisse waren überaus tragisch. Ich habe zu der Zeit in Bologna
studiert. Normalerweise waren wir im August immer in den Bergen, aber mein
Vater war in der Stadt geblieben, um seine Sammlung zu schützen. Er hat mir
später davon erzählt.«
    »Konnte man denn nichts tun, um die Männer zu retten?«
    »Das ging alles viel zu schnell. Die Deutschen haben sich mit ihrer
Rache kaum Zeit gelassen. Mein Vater hat damals versucht, Einfluss zu nehmen
und das Leben der politischen Gefangenen zu erleichtern. Er kannte einen
deutschen Offizier, aber die Intervention misslang. Man hat meinem Vater sogar
gedroht, falls er sich weiter einmische, würde man auch ihn einsperren.«
    »Wie kam es, dass Ihr Vater diesen Offizier kannte?«
    Der Blick des Conte verlor sich über die Köpfe der beiden Frauen
hinweg zu den Fenstern des Cafés, strich über ein Bild mit einer venezianischen
Szenerie und wanderte zu einem Wandspiegel. Seine Pupillen fokussierten nichts,
sein Blick schien nach innen zu gehen. Das Licht, das von den kleinen
Wandlampen in seine Augen fiel, zeigte den milchigen Kranz, den das Alter um
die Iris legt. Als er antwortete, sprach er mit leiser Stimme.
    »Dieser Oberst war ein begeisterter Kunstliebhaber, und mein Vater
hatte ihn mehrfach eingeladen und ihm Bilder aus seiner Sammlung gezeigt. Mein
Vater hatte etliche Gemälde unter dem Dach versteckt, aus Angst, die Deutschen
könnten ihn berauben. Um diesen

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