Canale Mortale (German Edition)
am anderen
Ende der Giudecca, wo sie auf einer von wildem Wein überwucherten Terrasse über
einem Seitenkanal Platz nahmen. Nach einem guten Risotto Nero hob Rita ihr
Glas.
»Arrivederci amici, arrivederci Venezia. Bis zum nächsten Mal. Danke
für alles. Morgen nehme ich in aller Frühe den Flieger, dann bin ich mittags
pünktlich bei der Pressekonferenz. In Köln regnet es, hat man mir am Telefon
gesagt. Ich werde euch und Venedig vermissen.«
12
Beim Frühstück atmete Florian auf und reckte sich. »Schön,
dass wir die Wohnung wieder für uns haben.«
Antonia hörte nicht richtig hin. Sie hatte ihren Laptop aufgeklappt
und eine weitere E-Mail von Aram Singer vorgefunden, die sie gespannt las.
Sehr geehrte Miss Babe,
auf Ihre
Frage, warum ich den Conte noch einmal aufgesucht habe, will ich gerne
antworten. Bei meinem ersten Besuch in Venedig hatte ich in einer Eisdiele an
den Zattere nach Conte Mauro Falieri gefragt, weil ich den Palazzo nicht finden
konnte. Der Inhaber verwies mich an eine Pizzeria in der Nähe mit dem Hinweis,
dass der Schwiegersohn des Conte dort häufig zu Abend esse. Der könne mir weiterhelfen.
Ich habe dort
gefragt und Mr Massato dann tatsächlich angetroffen. Wir kamen ins Gespräch,
und ich habe ihm erzählt, dass der Conte im Besitz eines kostbaren Bildes sei,
das meiner Schwiegermutter gehörte, und dass wir das Bild unbedingt brauchten,
um vom Verkauf die Herzoperation unserer Tochter zu bezahlen. Mr Massato hat
mir zugehört, und er hat mich vor Conte Falieri gewarnt: Er sei ein
hartherziger, böser alter Mann. Ich habe den Conte dann am nächsten Tag in
seinem Stammcafé angesprochen und einen Termin mit ihm vereinbart. Bei meinem
Besuch im Palazzo hat der Conte mir versichert, dass er von einem solchen Bild
nichts wisse. Sein Vater habe ihm, als er 1962 starb, die Sammlung hinterlassen
und außer einer halbwegs wertvollen Tizian-Kopie habe er leider nichts von
diesem Maler in seinem Besitz.
Als ich wieder
in den USA war,
hat Mr Massato mehrfach bei uns zu Hause angerufen und mich bedrängt, auf der
Herausgabe des Gemäldes zu bestehen. Er wisse jetzt, dass das Bild tatsächlich
im Palazzo sei. Ich war dann bei meiner Schwester in Israel zu Besuch und bekam
dort einen weiteren Anruf von Mr Massato. Deshalb flog ich von Israel ein
zweites Mal nach Venedig. Wieder erfolglos. Mr Massato hat mich anschließend
noch ein paarmal angerufen. Bei unserem letzten Telefonat war er sehr aufgeregt
und sagte mir Unterstützung zu, falls der Conte den Besitz wieder abstreiten
würde. Ich habe ihm gesagt, dass meine Tochter nicht mehr lebe und ich das
Interesse an dem Bild verloren hätte. Auf weitere Anrufe von ihm bin ich nicht
mehr eingegangen.
Ich hoffe, ich
konnte Ihnen helfen.
Beste Grüße,
Aram Singer
Antonia schrieb umgehend zurück und
fragte Singer, ob er Guido auch bei seinem zweiten Besuch getroffen habe.
Singer war online, denn ein paar Minuten später erhielt sie folgende Antwort:
Im Januar machte
der Conte einen kranken Eindruck, und weil er auf mich so schwach wirkte, habe
ich meinen Besuch kurz gehalten. Mr Massato habe ich bei diesem Aufenthalt
nicht getroffen. Ich bin schon am nächsten Tag nach Israel zurückgeflogen.
Antonia stand auf und ging
gedankenverloren auf und ab. Zwischen den beiden Besuchen waren die ersten
Briefe an den Conte geschickt worden. Sie musste sich unbedingt Zugang zu der
Wohnung im Palazzo Piccolo verschaffen, um herauszubekommen, ob es dort
Hinweise auf die Drohbriefe und einen Zusammenhang mit Guido gab. Es bestanden
kaum noch Zweifel daran, dass er in die Sache verwickelt war.
Sie klappte den Laptop zu, rief Florian, der unter der Dusche stand,
ein »Ich bin mal eben weg« zu und ging hinunter, um nach dem Schlüssel zum
Palazzo Piccolo zu fragen. Octavia war gerade aus dem Ospedale zurückgekommen
und schien sehr erschöpft. Sie bat Jana, in die Küche zu gehen und einen Tee
für sie zu kochen. Antonia nutzte die Abwesenheit Janas, um nach der Wohnung im
Palazzo Piccolo zu fragen.
»Wissen Sie, dass Ihr Schwager Guido immer noch seine alte Wohnung
nutzt? Wo bewahrt Ihr Vater die Schlüssel auf, ich muss unbedingt dorthin.«
»Aber warum?« Octavia war perplex. »Was hat Guido damit zu tun?«
»Das erkläre ich Ihnen später. Ich möchte mir die Wohnung vorher
einmal genau ansehen.«
»Mein Vater bewahrt die Schlüssel in seinem Schreibtisch auf. Ich
werde nachsehen.«
Als Octavia zurückkam, hielt sie Antonia einen kleinen
Weitere Kostenlose Bücher