Canale Mortale (German Edition)
im Arm. Sie haben
das Foto einem Experten in den USA gezeigt. Der
Experte meinte, er könne aufgrund des Fotos nicht viel sagen, er würde das Bild
historisch aber der Zeit und der Schule Tizians zuordnen. Warum soll sie sich
das alles ausdenken? Sie klang sehr überzeugend.«
»Hat der Conte nicht behauptet, dass dieses Bild einem deutschen
Offizier gegeben wurde?«
»Richtig! Das hat er mir gesagt, aber
nicht Singer! Warum verwickelt er sich so in Widersprüche?«
»Und warum sollte Guido so scharf auf das Bild sein?«
»Wenn es ein echter Tizian ist, dann ist es sehr wertvoll. Das
erklärt natürlich auch, weshalb der Conte es nicht rausrücken will. Und Tante
Alba und Octavia haben mir gegenüber erwähnt, dass Guido Spielschulden hat.«
Florian reckte sich und massierte die Finger seiner linken Hand mit
seiner rechten.
»Octavia hat mir neulich sogar gebeichtet, dass Guido sich vor
einiger Zeit von ihr Geld leihen wollte.«
»Wie ich Octavia einschätze, hat sie ihm wohl kaum etwas geliehen.«
»Das sagt sie, aber wir wissen es nicht.«
»Ach komm, Antonia, Octavia würde dich doch nicht anlügen!«
»Ich glaube erst einmal gar nichts. Alle hier halten immerzu mit
etwas hinter dem Berg und lassen mich im Nebel herumstochern.«
Florian wiederholte seine Lockerungsübungen jetzt an der rechten
Hand, indem er sie mit der linken massierte und ausstrich. Dabei machten seine
Gelenke kleine Knackgeräusche, etwas, was Antonia nicht ausstehen konnte.
»Florian, bitte!«
»Ja, ich höre schon auf. Denkst du denn, Octavia trifft sich mit
ihrem Schwager?«
Antonia rieb sich die Stirn. »Sie streitet es jedenfalls ab, aber
immerhin telefonieren sie offenbar miteinander, wie sonst sollte er sich Geld
von ihr leihen können. Und auf jeden Fall trifft Guido sich mit Jana und mit Flavia. Er ist aber auch wirklich ziemlich sexy …«
»Was? Davon hast du bisher gar nichts gesagt!«
»So nett wie Luca aus der Weinbar finde ich ihn aber nicht«,
lächelte Antonia.
»Das wird ja immer schöner! Während ich meine ganze Energie in die
Kunst stecke, amüsiert sich meine Braut, wie Don Orione sagen würde, mit halb
Venedig!«
Antonia ging nicht weiter auf ihr kleines Spiel ein und dachte
stattdessen laut nach.
»Hoffentlich schickt mir Mrs Singer bald die Datei mit dem Bild. Ich
habe sie gebeten, das Foto zu scannen. Vielleicht kann ich ja mit Hilfe des Fotos
das Gemälde in der Sammlung des Conte ausfindig machen.«
Eine halbe Stunde später klopfte Jana an die Tür des Apartments. Sie
kam vom Krankenbett ihres Großvaters zurück und war verstört.
»Ich habe solche Angst um ihn. Er wirkt zwar immer sehr streng, aber
er ist der netteste Großvater, den man sich denken kann. Er war heute so
schwach, dass er kaum sprechen konnte. Ich fürchte, er stirbt!«
Florian schlug ihr vor, zur Ablenkung mit ihnen auf ein Glas ins
»Già Schiavi« zu gehen. Auf dem Weg dorthin beruhigte sich Jana etwas. Es war
wieder ein warmer Maiabend. Vor der Bar standen viele Gäste mit Häppchen und
Wein, und auch innen herrschte das übliche Gedränge. Die Padrona hatte alle
Hände voll zu tun, und ihre Söhne bedienten die Gäste mürrisch wie immer. Luca
warf Antonia einen melancholischen Blick zu, als sie ihre Bestellung aufgab,
worauf Florian demonstrativ seinen Arm um ihre Schulter legte. Antonia
schüttelte ihn unwirsch ab.
»Flori, sei nicht albern, demnächst hebst du noch dein Bein!«
Florian verzog sich beleidigt nach draußen und fing ein Gespräch mit
zwei deutschen Frauen an, die das erste Mal im »Già Schiavi« waren und von den
Häppchen und den moderaten Preisen schwärmten. Jana, die neben Antonia stand,
sah immer noch blass aus und wollte nichts essen. Dann verriet sie Antonia,
dass ihr Großvater ihr bei ihrem Besuch im Krankenhaus zugeflüstert habe, dass
sie, wenn ihm etwas zustieße, sich wegen der Sammlung mit Nardo, dem
Restaurator, in Verbindung setzen solle.
»Großpapa sagte mir, Nardo wisse etwas sehr Wichtiges über die
Bilder im oberen Saal. Ich solle aber mit niemandem darüber sprechen.«
Antonia erschrak. »Und? Du hast doch hoffentlich Guido nichts davon
erzählt?«
»Nein! Wann denn auch? Ich bin doch direkt nach dem Krankenhaus zu
euch gekommen.«
»Und du hast auch nicht mit ihm telefoniert?«
»Nein. Ich hätte ihm auch nichts gesagt, nachdem Großvater mich
darum gebeten hat.«
»Dann halte dich auch daran!«
13
Am nächsten Vormittag gegen zehn Uhr klopfte es an die Tür
des
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