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Canale Mussolini

Canale Mussolini

Titel: Canale Mussolini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pennacchi Antonio
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sondern solche, wie die ONC sie wollte, zwischen fünfzehn und zwanzig Personen. Ein Ameisenhaufen im Vergleich zu früher – auch wenn die alte Toson, während man uns in Littoria Scalo mit der Lastwagenkolonne abholte und einen nach dem anderen an der Parallela Sinistra auslud, weiterhin kreischte: »Das ist ja die Wüste hier« –, und weit und breit kein Baum in Sicht. Nur der Wasserturm und die paar Häuser von Sessano auf der einen Seite, der wuchtige Bau von Borgo Carso auf der anderen und im Hintergrund die Baustelle für den Turm von Littoria. Und dann all diese Eukalyptuspflänzchen, nicht mal einen Meter hoch, zu beiden Seiten der Straße jenseits des Grabens, frisch angepflanzt, und wir hatten keine Ahnung, was das ist. »Was ist denn das?«, fragten wir alle.
    »Das werden Bäume sein«, hatte auf dem Karren, der uns herbrachte, sehr richtig Onkel Adelchi erklärt, er hatte während des Militärdiensts die Volksschule abgeschlossen und war daher der Gebildetste von allen.
    »Eukalyptus«, hatte der Aufseher von der ONC gesagt, der vor ihm auf dem Kutschbock saß, und sich dabei umgewandt.
    »Wie?«, hatte Onkel Adelchi gefragt.
    »Eukalyptus, Eukalyptus!«
    »Ah ja«, pflichtete mein Onkel bei, und indem nun er sich auf dem Wagen ganz zu den anderen umwandte, erklärte er mit lauter Stimme ein für alle Mal: »Kalips. Das heißt Kalips.«
    »Aha«, sagten da alle Peruzzi: »Kalips!«
    Aber außer den geeggten Feldern und den frisch gestrichenen Gebäuden fanden wir im Haus hinten in der Küche beim Kamin – bei der Feuerstelle – auch bereits fertig gehacktes Holz, das man nur noch anzuzünden brauchte. Auf dem Kaminsims lag eine frische Schachtel Schwefelhölzer parat. Man brauchte die Schachtel nur zu öffnen, das Zündholz anzureißen und den Kupferkessel übers Feuer zu hängen. Daher konnten sämtliche Großmütter – meine auch –, noch bevor die Männer angefangen hatten, den Hausrat auszuladen, dank des Fascio und der Opera Combattenti, das muss man sagen, als erstes im Haus Feuer machen und damit Leben hineinbringen. Das war heiliges Feuer, Feuer der Vesta, wie es im Lied heißt:
    Feuer der Vesta,
    draußen vorm Tempel flammst du auf,
    mit Flügeln und Flammen
    zieht die Jugend hin.
    Brennende Fackeln
    auf Altären und Gräbern,
    wir sind die Hoffnung der neuen Zeit.
    Duce, Duce,
    wer wüsste nicht zu sterben?
    Den Eid,
    wer würde ihn je verleugnen?
    Entblöße das Schwert, wenn du es willst:
    fröhlich im Wind
    fliegen wir alle dir zu.
    Waffen und Fahnen der antiken Helden
    lass, o Duce, für Italien in der Sonne blitzen.
    Und tatsächlich fühlten wir das Blut der antiken Helden durch unsere Adern strömen, als wir mit der Eroberung des Gelobten Landes begannen. »Hier errichten wir einen Garten Eden voller Früchte und Blumen. Unser Name wird bekannt sein in aller Welt. Wir bezwingen das Wasser und jede Naturgewalt. In unseren Kanälen werden Milch und Honig fließen, und dieser Turm, der da am Horizont entsteht, wird unser Elfenbeinturm sein, Turris Eburnia . Und mit seiner Spitze berühren wir den Himmel.«
    Über diesem Feuer kochte Großmutter zu Mittag im Kupferkessel die erste Polenta für die ganze Familie. Und hier begann das neue Leben der Peruzzi, in der großen Küche des Podere 517 am Canale Mussolini, alle aßen im Stehen, denn die Stühle waren noch nicht ausgeräumt, nur der große Tisch stand in der Mitte, darauf die Polenta. Jeder nahm einen Schlag, aß und lachte, und nur ab und zu sagte jemand: »Der arme Benito Mambrin, Friede seiner Seele.«
    Als es jedoch Abend wurde – gegen sechs oder sieben, nachdem man beim schwachen Schein einer Petroleumlampe gegessen hatte und die Kinder und die Frauen schon zu gähnen anfingen –, sah man Onkel Adelchi geschniegelt, das Haar voller Brillantine, die Treppe herunterkommen: »Ich geh mir Littoria anschauen.«
    »Au verdammt«, riefen Onkel Pericle und Onkel Iseo und sprangen auf. »Wir kommen auch mit«, während ihre Frauen sie schief ansahen.
    »Ach, ich geh schon mal voraus. Kommt ihr nach.«
    Großmutter gab Armida einen Wink, wie um zu sagen: »Lass ihn gehen«, und Onkel Pericle und Onkel Iseo flogen nach oben. Da sprangen aber gleich auch Onkel Turati und die anderen Jungs auf: »Wir kommen auch mit.«
    »Halt, alles stillgestanden«, schrie Großmutter und wirkte wie eine Furie. »Wir haben hier einen Umzug zu machen wie früher an Sankt Martin, ihr verfluchten Kerle. Ihr könnt morgen oder übermorgen gehen. Wehe,

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