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Canale Mussolini

Canale Mussolini

Titel: Canale Mussolini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pennacchi Antonio
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aber die anderen glaubten nicht daran und lehnten sich auf. Es gab zwar eine Reihe lokaler Fürsten, die wir mit klingender Münze gekauft hatten, und in ihren Gebieten konnte man relativ ruhig sein; aber überall gab es welche, die Bares nicht gewollt hatten, und die bekämpften uns nun mit Guerillamethoden. Sie griffen Einheiten von uns an, die etwas isoliert waren, Stützpunkte oder Außenposten – wir nannten sie »Banditen« –, und wehe dem, den sie allein überraschten, dem boten sie das volle Programm: Folter, Blendung, Entmannung, und ließen einen dann tot in der Sonne liegen und verdorren. Es ist klar, dass wir darauf mit Repressalien reagieren mussten, und so ging das die ganze Zeit weiter, die wir dort waren.
    Mein Onkel erzählte von dem Mal, als sie einer Kompanie Carabinieri angegliedert gewesen waren – er konnte es kaum fassen: »Ich bin auch Carabiniere gewesen«, sagte er zu allen, während er neben ihnen herging, allerdings ohne zu erwähnen, dass er geweint hatte –, sie umstellten eine Tukulsiedlung, weil es in der Gegend Guerillaaktionen gegeben hatte. »Alles stillgestanden, keinen Schritt weiter, ihr schießt erst auf mein Kommando«, sagte der Hauptmann, nachdem er sie im Kreis hatte Aufstellung nehmen lassen. Dann ließ er das Dorf anzünden und gab Befehl, auf alles zu schießen, was zu flüchten versuchte, Männer, Frauen, Kinder oder Ziegen.
    Ein anderes Mal dagegen – als sie einen der Unseren auf einer Straße in der Hochebene ermordet aufgefunden hatten – gingen sie ins nächste Dorf, und der Scharführer, der aus Sezze, der Unteroffizier Apache, ließ den Dorfvorsteher rufen, und vor den versammelten Eingeborenen forderte er ihn auf, ihm den Verantwortlichen auszuliefern: »Er oder du.«
    »Ich weiß nicht, wer das war«, sagte der Dorfvorsteher zu dem Askaren, der als Dolmetscher fungierte.
    »Ist gut«, erwiderte unser Scharführer knapp und führte ihn aus dem Kreis der Tukul hinaus – das ganze Dorf ihm nach – bis zu einem großen Ameisenhaufen in der Nähe. Er befahl ihm, ein Loch zu graben, etwa so tief, wie er groß war, ließ ihn hineinsteigen, aufrecht stehend, und ließ ihn zuschütten. Nur der Kopf blieb draußen. Der Sergeant goss Honig über ihm aus und schmierte ihn ganz damit ein. Als sie den Honig rochen, kamen die Termiten angerannt. Sie haben ihn aufgefressen. Und während die Unseren schon abzogen, hörte man noch seine letzten Schreie. »Aber Krieg ist Krieg, und den Guerillakampf muss man so führen, was sollten wir denn sonst machen?«, sagte Gevatter Franchini zu uns Kindern, wenn er Onkel Adelchi besuchen kam und sie sich unter großem Gelächter an die schönen Zeiten von damals erinnerten: »Wenn nicht, wie soll man sonst ein Imperium halten?«
    Repressalien verübten aber nicht nur die Soldaten oder die Schwarzhemden – ich sage das so, »Schwarzhemd«, aber das schwarze Hemd zogen alle aus, sobald sie von Italien kommend im Hafen von Massaua landeten, und trugen wie das Heer die Kolonialuniform, denn sonst kam man um vor Hitze –, sondern vor allem Zivilisten: Angestellte, Ladenbesitzer, Lastwagen-Fahrer, die schon in großer Zahl aus dem Mutterland gekommen waren. Es waren Zivilisten, die in den drei Tagen nach dem Graziani-Attentat das Gros der Arbeit verrichteten. Bewaffnet mit Knüppeln, Brechstangen und Benzinkanistern zogen sie durch Addis Abeba. Mein Onkel sah einen Lastwagen-Fahrer, der einen Schwarzen mit einem Keulenhieb niederstreckte und ihm dann den Kopf mit dem Bajonett von einer Seite zur anderen durchbohrte. Ein anderer – ein Architekt, ich weiß nicht, ob der wegen der Planungen für das imperialfaschistische Addis Abeba dort war oder nur wegen einzelner Gebäude – beklagte sich eines Abends, dass ihm vor lauter Granatenwerfen der ganze Arm weh tue.
    Graziani jedenfalls – der Vizekönig, der auf Badoglio gefolgt war – wurde nicht verletzt, oder besser gesagt, man musste ihm bloß 350 kleine Splitter entfernen, die in der Haut stecken geblieben waren. Das Attentat forderte sieben Tote und etwa fünfzig Verletzte. Es war der 19. Februar 1937 – ein Jahr nach der Eroberung des Amba Aradam –, und eine Gruppe junger Intellektueller, die in Europa studiert hatten, nutzte die Gelegenheit: Aus Anlass der Geburt des Sohnes von König Umberto von Savoyen – er lebe hoch – wurde ein Empfang gegeben. Sie kamen zu zweit, stiegen auf ein kleines Gebäude, warfen acht Breda-Bomben und flohen. Ein Dritter wartete draußen im

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