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Canale Mussolini

Canale Mussolini

Titel: Canale Mussolini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pennacchi Antonio
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Gesicht eines Schwarzen, der sie überrascht aus einem Gebüsch heraus anschaute, drei oder vier Meter von ihnen entfernt. Ohne auch nur einen Gedanken daran, sich oder ihn zu fragen, ob er zu uns oder zu den anderen gehörte – denn da waren viele auch auf unserer Seite, nicht bloß auf ihrer: Askari, Eritreer, Somalier, Libyer und auch Abessinier von irgendwelchen abtrünnigen Stämmen, mit Geld gekauft –, peng, peng! tilgten sie dieses Gesicht augenblicklich vom Antlitz der Erde. »Fahr zur Hölle, du!«, sagte Onkel Adelchi. »Beim nächsten Mal sag vorher Bescheid«, setzte Gevatter Franchini hinzu. Aber sie fühlten sich frisch und gut ausgeruht. Voller Tatendrang. Sie zogen die Schuhe an, und los ging’s, wieder bereit, so viele Christen wie möglich abzuschlachten, auch wenn das Kopten waren, um nicht von ihnen abgeschlachtet zu werden. Was sollten sie sonst tun? À la guerre comme à la guerre . Wer nicht hingehen will, soll zu Hause bleiben.
    Was gibt’s denn da jetzt zu lachen? Was sagen Sie? Ob mein Onkel und Gevatter Franchini Geliebte waren?
    Aber was fällt Ihnen ein, was erlauben Sie sich! Nicht dass da was Schlimmes dabei wäre, Gott bewahre, ich habe keine Vorurteile, heute ist ja alles erlaubt. Wie das bei Gevatter Franchini war, weiß ich nicht, aber mein Onkel war bestimmt nicht homosexuell, wollen Sie Witze machen? Sie waren bloß gute Freunde, und sie nannten einander »Gevatter«, weil sie sich geschworen hatten, wenn sie wieder daheim wären, würden sie gegenseitig Trauzeuge sein und dann Paten, wenn Kinder kamen. Sie waren Soldaten – gemeinsam im Krieg, Kameraden –, und über diese Sache haben sie nie mehr ein Wort verloren, beide wussten es, aber keiner redete davon, wozu auch? Welche Bedeutung sollte das schon haben? Heroische Männerliebe und basta. Ein Exorzismus gegen den Tod. Ein magisch-religiöses Ritual zur Vorbereitung auf den Kampf. Wie Achill und Patroklos im Trojanischen Krieg. Meiner Meinung nach.
    Jedenfalls haben sie den Amba Aradam dann eingenommen, das Tor nach Abessinien – Ianua Aethiopiae –, und der Weg nach Addis Abeba lag vor ihnen. Nicht wirklich die Autostrada del Sole, und für diese fünf-, sechshundert Kilometer brauchten wir noch einmal zweieinhalb Monate, tränkten sie dafür aber reichlich mit Arsin und Yprit, diesem famosen Gottesgeschenk, das der Duce schickte. Und eines Nachmittags an einem Tag im Mai zog Onkel Adelchi durch einen dichten Wald aus herrlichen Eukalyptusbäumen in Addis Abeba ein.
    Meine anderen Onkel und Tanten dagegen waren alle mit dem Schnelltriebwagen – außer einem, der zwangsläufig zu Hause bleiben musste, denn Imperium hin oder her, mussten die Kühe, wie Sie wissen, getränkt und gemolken werden, jeden Morgen und jeden Abend, die der Herrgott werden ließ auf Erden. Am Abend standen die Onkel mit allen andern dicht gedrängt auf der Piazza Venezia und schrien: »Du-ce Du-ce Du-ce«, noch bevor er herauskam. Dann trat er heraus und sagte: »Schwarzhemden der Revolution! Männer und Frauen in ganz Italien! Italiener und Freunde Italiens in Übersee: Höret! Marschall Badoglio telegrafiert mir: ›Heute, am 5. Mai, um 16 Uhr an der Spitze unserer siegreichen Truppen in Addis Abeba einmarschiert.‹ In den drei Jahrtausenden seiner Geschichte hat Italien viele denkwürdige Stunden durchlebt, aber die heutige ist mit Sicherheit eine der feierlichsten. Ich verkünde dem italienischen Volk und der Welt, der Krieg ist zu Ende. Ich verkünde dem italienischen Volk und der Welt, Frieden ist wiederhergestellt.«
    Und sie wieder »Du-ce Du-ce Du-ce«. Und wie sie alle anderen in Italien auch, an den Rundfunkgeräten, nachdem den ganzen Tag lang Kirchenglocken und Fabriksirenen das italienische Volk auf die Straßen und Plätze gerufen hatten. Nicht einmal bei der Fußballweltmeisterschaft in Spanien war es so zugegangen. Und vier Tage später waren wieder alle dort – und waren noch mehr und standen noch dichter gedrängt –, und der Duce sagte: »Hebet hoch, o Legionäre, die Banner, die Lanzen und die Herzen, um nach anderthalb Jahrtausenden auf dem Schicksalshügel Roms die Wiederkehr des Imperiums zu begrüßen.« Und sie wieder »Du-ce! Du-ce! Du-ce!«. Sie werden verstehen, so was passiert nicht alle Tage, und allen in Italien schlug das Herz höher: »Verflucht, das ist wirklich ein MANN «, und auch Onkel Adelchi glaubte, dass der Krieg nun zu Ende sei.
    Hingegen war er ganz und gar nicht zu Ende. Das Imperium war unser,

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