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Canale Mussolini

Canale Mussolini

Titel: Canale Mussolini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pennacchi Antonio
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Wagen auf sie.
    Sofort setzten unsere Vergeltungsmaßnahmen ein. Drei Schmerzenstage für Addis Abeba. Man sah keinen einzigen Schwarzen mehr auf den Straßen, wie ich Ihnen schon sagte. Man weiß nicht wie viel tausend Tote. Die einen sagen sechstausend, die anderen dreißigtausend. Jedenfalls teilte der Geheimdienst Graziani ein paar Wochen später mit, dass hinter dem Anschlag der abessinische Klerus stecke – »Das sind die koptischen Priester, die haben das alles angezettelt« –, und die beiden Attentäter seien an jenem Tag nach Debra Libanos gebracht worden. Das ist das größte koptisch-abessinische Heiligtum, so etwas wie unser Lourdes oder Sankt Peter in Rom, mit Tausenden Gläubigen, die tagtäglich dort aus allen Teilen Äthiopiens zusammenströmten. Von dort seien sie zu den Partisanengruppen gestoßen, um sich schließlich in den Sudan abzusetzen. Und da erging der Befehl: »Rache!«
    Drei Monate waren seit dem Attentat vergangen, und Onkel Adelchi und Gevatter Franchini lagen ruhig in ihrem Quartier. Eines Tages im Mai aber wurden sie auf Lastwagen verladen, und abends umstellten sie zusammen mit ihren Kameraden Debra Libanos, das aus zwei großen Steinkirchen und etwa tausend Tukul bestand, in denen die Geistlichen wohnten. In den folgenden Tagen trieben sie diese Priester, Unterpriester, Bischöfe, Äbte, Diakone, Seminaristen, Theologiestudenten, Messdiener, Nonnen, Erzieherinnen und ein paar Pilger alle zu einem Haufen zusammen und brachten einen Teil von ihnen an den Rand eines Canyons dort in der Nähe – in der Ebene von Laga Wolde –, auf dessen Grund ein Fluss lief, der fast völlig ausgetrocknet war. Sie ließen sie an der Felskante in einer Reihe antreten und mähten mit Maschinengewehrsalven alle nieder. Dann gaben sie den Gnadenschuss, ein Tritt und runter in den Abgrund. Das war am 21. Mai 1937, und um vier Uhr nachmittags dortiger Zeit – bei uns dürfte es drei Uhr gewesen sein – war alles vorbei. Mein Onkel war in einer Einheit, die neben den MG s aufgestellt war, und er musste mit dem Gewehr auf diejenigen schießen, die zu fliehen versuchen sollten.
    »Aber das sind Priester, Gevatter«, sagte der arme Franchini.
    »Ja, aber sie sind Rätiker! Hast du nicht gehört, was der Kaplan gesagt hat? Sei still und schieß, Franchín, lass das niemand hören, sonst wird noch auf uns geschossen.«
    Die anderen dagegen – der andere Teil, der unter Bewachung in Debra Libanos zurückgeblieben war – schafften wir ein paar Tage später nach Engechà, Richtung Debra Berhàn, wo Bagger schon zwei große Gruben ausgehoben hatten. Wir ließen sie davor Aufstellung nehmen – es waren fast alles Diakone, junge Burschen, Seminaristen –, und auch die putzten wir mit dem Maschinengewehr weg.
    »Aber das sind Priester, Gevatter, das sind Messdiener«, sagte Franchini ganz leise, untröstlich.
    »Sei still, Franchín, verflucht noch mal, sei still«, schimpfte mein Onkel.
    Wäre so etwas uns Katholiken zugefügt worden – noch heute würde täglich auf dem Petersplatz für sie gebetet. Sie wären alle heiliggesprochen worden, und ich will Sie ja nicht enttäuschen, aber sehen Sie, ob man mit Waffen nun die Demokratie bringt oder ein Imperium, das macht keinen großen Unterschied. Auch der Duce sagte, das sei zu ihrem Besten: »Wir bringen ihnen die Zivilisation.«
    Wie Sie wissen, haben wir aber nun in diesem Imperium kein Gramm Eisen oder Kohle gefunden, keinen einzigen Rohstoff, ganz zu schweigen von Erdöl. Öl gab es, so viel man wollte, in Libyen, aber wir konnten es nicht finden. Es wurde erst später gefunden. Auch Boden für unsere Bauern gab es fast so viel wie Gold, Eisen, Blei, will sagen: keinen. Fruchtbare Äcker waren nur wenige, der Großteil war Steinwüste. Glauben Sie mir, das nächste Mal, wenn der imperiale Adler – mit seinem Imperium in den Klauen – sich wieder anschickt, über unseren Schicksalshügeln zu kreisen, dann sollte man schleunigst die Jägervereinigung rufen und ihn sofort abknallen lassen wie eine schäbige Taube.
    An diesem 21. Mai 1937 gegen zwei, halb drei Uhr Nachmittags saß unterdessen im Agro Pontino im Podere 517 an der Parallela Sinistra, die am Canale Mussolini entlangläuft, im Erdgeschoss in der Küche meine Großmutter; sie war allein im Haus, alle anderen waren auf dem Feld, sie saß am Fenster und hatte angefangen, Wolle zu spinnen. Im Körbchen zu ihren Füßen spielten Hund und Katze; bei uns haben Hunde und Katzen immer zusammen gespielt

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