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Canale Mussolini

Canale Mussolini

Titel: Canale Mussolini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pennacchi Antonio
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Adelchi, und man schickte ihn zurück nach Hause: »Na komm, geh zu deiner Mama.«
    Jahrelang haben seine Brüder ihn deswegen gehänselt, und als er dann mit zwanzig zum regulären Wehrdienst bei der Infanterie eingezogen wurde, sagten sie, bevor er aufbrach, immer wieder: »He du, nicht weinen!«, und er schämte sich. Aber er war erwachsener geworden, und diesmal weinte er nicht, und während des Militärdienstes machte er auch die Volksschule fertig. Die Mama fehlt ihm trotzdem, aber er weinte nicht mehr. Und jetzt endlich – er war dreißig, war groß und stattlich und es drehte sich darum, mit Barany nach Afrika zu ziehen und Abessinien einzunehmen – erklärte er: »Ah, diesmal gehe ich.«
    »Bitte sehr, nach dir«, sagten seine Brüder, und er zog mit Barany und seiner Schwarzhemdenkompanie »Littoria«: »Was wollt ihr, was soll das schon sein, ein Imperium zu erobern?«
    Sie wissen aber, dass diese Eroberung Abessiniens nun wirklich kein Spaziergang war. Wir hatten ein modernes Heer – oder so glaubten wir wenigstens – mit Artillerie, LKW s, Panzerfahrzeugen und vor allem der Luftwaffe. Schließlich hatten wir eben den Atlantik überflogen. Die anderen dagegen hatten insgesamt zwei Flugzeuge und auch moderne Feuerwaffen, Maschinengewehre und ein paar im Ausland gekaufte Kanonen; vor allem aber hatten sie Lanzen und Schwerter und bewegten sich in Horden. Bei alledem brauchten wir acht Monate von der Grenze Eritreas bis nach Addis Abeba. Sie machten es uns schwer. Um sie in die Knie zu zwingen – wie man so sagt –, mussten wir Gas einsetzen, Arsin und Yprit, in Fässern vom Flugzeug abgeworfen oder in Projektilen mit Kanonen abgeschossen. Ein Geschenk Gottes, wer es abbekommt, kriegt sofort Blasen auf der ganzen Haut, in den Augen und den Lungen. Und je nachdem, welche Menge er abbekommen hat, stirbt er binnen zwei Stunden oder einer Woche. Ich weiß nicht, was besser ist.
    Onkel Adelchi freilich behauptete, er hätte kein Yprit gesehen: »Nein, Gas habe ich keins gesehen.« Er sagte jedoch auch, bei der allgemeinen Grausamkeit, die dort herrschte, und wenn es stimmte, dass wir dieses Gas hatten, dann hätten wir es bestimmt auch eingesetzt: »Wenn wir die Atombombe gehabt hätten, dann hätten wir die Bombe geworfen.« Sie verteidigten sich mit Zähnen und Klauen. Zoll für Zoll mussten wir es ihnen entreißen, ihr Imperium. Und sie waren stinksauer. Wenn man ihnen als Gefangener in die Hände fiel, stachen sie einem die Augen aus und entmannten einen, mit Schwert und Dolch schnitten sie einem die Schmuckstücke zwischen den Beinen ab.
    Wir waren aber auch nicht zimperlich. Einmal in Asmara – mein Onkel und sein Gevatter Franchini hatten Ausgang, sie waren im Puff gewesen und schlenderten so dahin –, da gelangten sie aufs Flugfeld, wo sie den Sohn des Duce, Vittorio, aussteigen sahen, der Pilot war, und zusammen mit anderen Soldaten scharten sie sich um ihn. Der fing an zu erzählen: »Der Abessinier ist ein Tier und verkriecht sich gern. Heute Morgen lief einer mit Gewehr Richtung Süden. Ein ordentlicher Luftstoß, und er lag am Boden. Menschenjagd auf Einzelne, unsere Maschinen wühlten jedes Erdloch auf, wo sie einen Abessinier witterten.« Das Beste waren aber die Brandbomben: »Wirklich lustig. Die Brandbomben bringen’s, da sieht man’s wenigstens lodern und brennen. Eine große Stammeshütte, umgeben von hohen Bäumen, ich konnte sie nicht treffen. Man musste genau auf das Strohdach zielen, und erst beim dritten Mal Überfliegen ist es mir gelungen. Die Unseligen da drin kamen heraus und hüpften wie besessen herum, als sie das Dach brennen sahen«, und er lachte.
    »Ah, wirklich ganz der Vater!«, sagte Gevatter Franchini aus Cisterna begeistert.
    »Was faselst du da, Franchín?«, bemerkte mein Onkel.
    Tatsache ist jedenfalls, dass in der Nacht vom 12. auf den 13. Februar des Jahres 1936 – fünf Monate nach Beginn der Offensive – der Kommandant der Kompanie »Littoria«, Camillo Hindart Barany, mosaischer Religionszugehörigkeit und jüdisch-ungarischer Abstammung, federführend beteiligt an der Urbarmachung von Maccarese, von Mussolinia auf Sardinien, von Littoria und des Agro Pontino, bei der Einnahme des Amba Aradam in Abessinien fiel. Er war siebenundvierzig Jahre alt, im antiken Rom wurde ein Legionär, wenn er das Alter von fünfundvierzig Jahren erreicht hatte, in den Ruhestand versetzt.
    Barany war allerdings bei Abyi-Addi schon verwundet worden, doch kaum

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