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Canale Mussolini

Canale Mussolini

Titel: Canale Mussolini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pennacchi Antonio
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fort, »so dass wir welche überfielen, die ärmer waren als wir. Jetzt dagegen sind wir arm, und wir überfallen die Reichen.«
    »Er hat alles begriffen«, bemerkte Mussolini und bestaunte Onkel Pericle wie den Gipfel der Weisheit. Und mit dem Kinn machte er Großvater Zeichen – vor allem aber Großmutter mit Blicken –, wie um zu sagen: »Jesusmaria, so ein helles Bürschchen, der Junge, Glückwunsch«, und Großmutter war überglücklich. Großvater etwas weniger, vor allem wegen der Blicke. Am Abend dann, allein im Schlafzimmer, bevor sie das Licht löschte und sich ihrem Mann zuwandte – sie machten es alle Tage, jedenfalls bis sie hierherkamen, meinen Onkeln zufolge, die die Bettfedern quietschen hörten –, sagte Großmutter: »Also, dieser Mussolini!«
    »Hmmmm«, knurrte er. »Kein Wort mehr davon, hab ich gesagt, du dreckige Hure.«
    Wir sind also in den Krieg eingetreten. Für uns sollte es ein sozialer Krieg sein, aber um die Leute davon zu überzeugen, dass sie hingehen sollten, wurden die Trommeln gerührt und die ganz große Pauke des Vaterlands geschlagen, Trento und Trieste. Wenn man nur lang genug auf sie einredet, überzeugt man die Menschen bekanntlich, und am Ende waren wir auch überzeugt von diesem Vaterland, ja, vorher hatten wir überhaupt nicht gewusst, was das ist – nie gehört –, jetzt schien es uns eine altvertraute Sache. Viele Leute wollten aber nicht in den Krieg, Vaterland und Fanfaren waren ihnen egal. »Trento und Trieste? Wer kennt die denn?«, und es gab eine Menge Deserteure, doch wenn man die erwischte, wurden sie an die Wand gestellt. Auch Großvaters Bruder und seine Söhne – wir waren damals noch alle auf einem Hof zusammen, hatten aber schon angefangen, die Sachen aufzuteilen, obwohl wir weiterhin zusammenarbeiteten und uns gegenseitig aushalfen–, sie waren bei den reformistischen Sozialisten geblieben, bei den Pazifisten, und wollten den Krieg nicht.
    Wir dagegen gehörten zu den Interventionisten, zu Mussolini, Rossoni und zum »Popolo d’Italia«. Wir waren auf Kollisionskurs mit der Partei, die fest in der Hand der Reformisten war, oder zumindest die Führung. Mussolini hatten sie fast hinausgeworfen, und das Klima war mittlerweile miserabel; schon im nationalen Führungskomitee, das ihn von der Redaktion des »Avanti« ausschloss, hatte man ihm alles Mögliche an den Kopf geworfen. Sogar »bestechlich« bekam er zu hören. Sogar die, die ihm am nächsten gestanden hatten, sogar die Balabanoff, die seine Geliebte und Genossin gewesen war und ihm das Abc des Sozialismus beigebracht hatte, aber auch Literatur und Tischmanieren. Und bei der Gelegenheit, als er ging und sah, dass sie wirklich wütend waren, sagte er zu ihnen allen: »Ihr hasst mich so, weil ihr mich immer noch liebt.«
    Großvater hingegen sagte zu Großmutter: »Mach dir keine Sorgen um unsere Söhne, sie sind jung, sie werden nicht eingezogen. Wie lang soll dieser Krieg denn schon dauern?« Dann hat er aber lang gedauert, hat sich über Jahre hingezogen, mit Hunderttausenden von Toten. Millionen. Und Millionen Verwundeten. Menschen kamen und gingen. Am Schluss wurde Onkel Temistocle eingezogen. Die Postkarte kam, und er brach auf. Keine Träne hat Großmutter geweint, als er ging, aber man spürte, wie sie innerlich weinte. Auch Großvater. Sogar er selbst, Onkel Temistocle, war ein bisschen besorgt – Onkel Pericle dagegen fast neidisch –, und als er endlich aufbrach, sagte Großvater zu ihm: »Schau, dass du gesund wiederkommst.«
    »Schau, dass du wiederkommst«, sagte dagegen Großmutter. »Gesund oder nicht, schau, dass du wiederkommst.« Und an diesem Abend im Bett drehte sich jeder von ihnen auf seine Seite – Gute Nacht und fertig – und dachte an den Sohn, der in den Krieg zog. Und Großmutter bekreuzigte sich und fing an zu beten, wie wenn er als Kind krank war.
    Dann kam Caporetto, wie Sie sicher wissen, mit den Deutschen, die die Front durchbrachen, und wir alle auf der Flucht vor ihnen: Die einen, die das Gewehr hinschmissen, die anderen, die die Kanonen stehen ließen, und wieder andere, die auf die eigenen Offiziere schossen, wenn die versuchten, sie aufzuhalten. Aber nur wenige Offiziere. Andere begingen Selbstmord wegen der Schande. Der Großteil des Offizierskorps aber floh als erstes, die höchsten Ränge des Generalstabs und die Truppenoffiziere; am Ende dann – als es zu Ende war – waren nur die Soldaten schuld, die Offiziere konnten sich alle retten, schöner

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