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Canale Mussolini

Canale Mussolini

Titel: Canale Mussolini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pennacchi Antonio
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sterben«, sagte er zu Großmutter. Aber Mussolini hatte es einmal so entschieden, er hatte den »Avanti« verlassen müssen, weil er die gesamte Parteiführung gegen sich hatte, und eine eigene Zeitung gegründet, »Il Popolo d’Italia«, die aber im Untertitel Sozialistische Tageszeitung hieß. Es war also nicht so, dass sie etwas anderes geworden wären, sie waren nach wie vor Sozialisten, aber eben für die Intervention, und die Gründe dafür erklärten sie in der Zeitung. Ja, sie fuhren auch herum, um sie zu erklären, und er selbst, Mussolini, kam sogar zu uns; oder genauer gesagt, er kam nach Adria, was acht Kilometer entfernt ist, und mein Großvater fuhr mit seinen großen Söhnen hin, sie hatten gedrängelt: »Gehen wir hin, Papa?«
    Und er: »Warum habe ich ihnen das bloß gesagt«, denn zurück aus dem Wirtshaus – wo neben dem »Avanti« nun auch »Il Popolo d’Italia« gelesen wurde –, war ihm herausgerutscht: »Ah, er kommt nach Adria.«
    Und sie: »Lass uns hingehen, lass uns hingehen.«
    Die Frage war ganz einfach: Die revolutionären Syndikalisten sagten, die Rote Woche sei schlecht gelaufen, eine Woche Generalstreik ohne jedes Ergebnis. Die die Fabriken besetzt hatten, waren zu denselben Bedingungen wie vorher an die Arbeit zurückgekehrt, nichts hatten sie erreicht; die Reformisten standen am Ende genauso da wie am Anfang, und wenn nicht irgendetwas anderes geschah, würde die Revolution nicht mehr gemacht, denn um sie zu machen, das war klar, brauchte man Gewalt, und Gewalt wollten sie nicht, dazu waren sie nicht imstande, sie wollten lieber erdulden.
    Dieser Krieg war also genau das, was man brauchte, eine segensreiche Hand, die enorm viele Spannungen auslösen würde – sagte der Genosse Mussolini –, dass nichts mehr sein würde wie vorher. Wenn sich das Proletariat in Waffen erst einmal ganz mit einbezogen fühlte, konnte aus dem Weltkrieg ein sozialer Krieg werden. Ausgebrochen war er im Grunde als Interessenkonflikt – »um die Kröten« – zwischen den kapitalistischen Bourgeoisien in den verschiedenen europäischen Ländern. Aber im Feld konnte er gar nicht anders als in einen allgemeinen Krieg der Klassen übergehen, das europäische Proletariat gegen die Besitzenden aller Länder.
    Ich weiß nicht, ob das klar ist, aber so stellte er es dar, und ich wiederhole, auch Großvater war es nicht so klar; an diesem Abend am Tisch – Mussolini hatte sich selbst eingeladen, ungefragt, »dieser Flegel«, kaum sah er sie, rief er schon von weitem: »Ah, Peruzzi, diesmal komme ich«, und es wirkte, als würde er uns damit einen Gefallen tun –, an diesem Abend am Tisch sagte Großvater zu ihm: »Aber ich habe nicht verstanden, warum; vor drei Jahren beim Libyen-Krieg haben wir Krawall gemacht, dass wir ihn nicht wollten, und du bist dafür sogar ins Gefängnis gegangen; jetzt aber, bei diesem hier, da sollen wir mitmachen. Aber was ist denn passiert in diesen drei Jahren, wo ist da der Unterschied?«
    Mussolini wollte schon antworten, aber Onkel Pericle platzte heraus: »Darf ich auch was sagen?«
    Großvater sah ihn schief an, denn damals war das nicht so wie heute, dass alle am Tisch reden und es keinen Unterschied gibt zwischen Vater und Sohn. Früher redeten die Kinder ihre Eltern mit »Ihr« an, und man hätte im Traum nicht daran gedacht, ich sag ja gar nicht, ihnen zu widersprechen, nein, ihnen ohne ihre Erlaubnis auch nur zuzustimmen; wenn es einem einfiel, bei Tisch zu reden und ohne Erlaubnis zu unterbrechen, nun, dann war das der Tag, an dem einem auch eingefallen war, vom Tisch aufzustehen und in einem eigenen Haus wohnen zu gehen. Großvater staunte also nicht schlecht: »Woher plötzlich all diese Demokratie? Und wo soll das noch enden?«
    Aber er hatte noch nicht ausgeredet, da brachte schon Großmutter ihre Meinung vor: »Aber lass den Jungen doch reden.«
    Und auch Mussolini – wieder und wieder sah er die Großmutter an – gab unterdessen Zeichen der Zustimmung. »Hören wir die jungen Leute.«
    »Hören wir sie«, sagte Großvater, aber sehr überzeugt war er nicht. »Jetzt schau dir den an, auch bei der Kindererziehung mischt er sich ein«, dachte er.
    »Schaut, Vater«, konnte Onkel Pericle schließlich sagen. »Schaut, das ist nicht dasselbe. Das damals in Libyen, das war ein Angriffskrieg, und wir waren die Reichen …«
    »Wir und reich? Wann sind wir denn jemals reich gewesen?«, warf Großvater ein.
    »… reich im Verhältnis zu denen«, fuhr Onkel Pericle

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