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Canale Mussolini

Canale Mussolini

Titel: Canale Mussolini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pennacchi Antonio
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während er ihm auch noch die Peitsche gab, damit es schneller lief. Onkel Treves hinten auf dem Wagen hielt sich am Seitengeländer fest, denn der Wagen hüpfte manchmal über Löcher und Steine: »Aber was machen wir mit nur zwei Gewehren?«
    »Zwei?«, sagte Onkel Temistocle und zog aus einem Sack das dritte hervor, das er sich von seinem Zwillingsvetter hatte geben lassen. Er hatte bloß zu ihm gesagt: »Das Gewehr.«
    »Aber Temistocle«, hatte der erwidert, auch er war eher wortkarg, Zwillingsvettern eben.
    »Das Gewehr«, hatte dieser wiederholt, ohne ein weiteres Wort.
    Und er hatte es ihm gegeben. Sollte er etwa Geschichten machen? »Hauptsache, ihr geht weit weg von hier, wenn ihr schon Schaden anrichten müsst.«
    Dann waren es also drei Gewehre, dazu eine Pistole, die Onkel Pericle irgendwann wie durch Zauberkünste hervorholte. Eine Pistole, von deren Existenz niemand etwas wusste und die er heimlich als Soldat mitgebracht haben musste – vielleicht aus dem Krieg, denn es war ein österreichisches Fabrikat –, und er hatte sie nie irgendwem gezeigt, vielleicht gerade mal Onkel Iseo. Drei Gewehre jedenfalls und eine Pistole, und um ein Uhr nachts kamen meine Onkel nach Codigoro hinein, fuhren wild schießend durchs ganze Dorf. Nein, zuerst zum Haus des Lehrers, das ein paar hundert Meter außerhalb vom Ort lag, eben am Weg zu uns hinaus. Das war der Volksschullehrer, aber auch Vorsitzender der sozialistischen Parteisektion und der landwirtschaftlichen Liga. Das war einer, der trug noch jetzt unter der Jacke die rote Schleife um den Hals, genau wie Rossoni 1904 in Copparo. Meine Onkel kamen mit dem Wagen dort an, und Onkel Pericle schrie »Brrr!« zum Pferd, dann brüllte er: »Lehrer! Herr Lehrer!«
    Der kam aber nicht raus.
    Da stieg Turati, der Hund vom Wagen, ging und pochte an die Tür, bumm bumm , Faustschläge gegen die Tür, und Onkel Pericle rief vom Wagen aus noch einmal: »Herr Lehrer!«
    Endlich hörte man, wie im ersten Stock ein Fenster aufging, und der Lehrer schaute heraus. »Was ist?«, fragte er.
    »Peruzzi! Peng «, und er bekam einen Gewehrschuss ab.
    »Jesusmaria«, hörte man von drinnen die Stimme der Frau.
    Und er: »Sie haben mich umgebracht, sie haben mich umgebracht.«
    »Jesusmaria, Jesusmaria«, fing sie wieder an.
    Und meine Onkel fingen wieder an peng peng mit den Flinten, während Onkel Turati lachend auf den Wagen zurückkehrte.
    Peng peng machten meine Onkel weiter, bis Onkel Pericle sagte: »Vergeudet nicht alle Patronen, wir haben noch viele auf der Liste. Hüa «, zog er dem Pferd die Zügel an, und dann Onkel Turati, der lachte, klatsch , eins auf den Kopf. »Was lachst du denn, du alberner Kerl, man hat uns eben den pagliaio niedergebrannt«, und klatsch , noch ein Schlag.
    »Geh zum Teufel«, und Turati hob abwehrend den Arm.
    Dann ab ins Dorf, während die dahinten noch immer »Jesusmaria, Jesusmaria« jammerte.
    Und der Lehrer: »Sie haben mich umgebracht, sie haben mich umgebracht.«
    Meine Onkel lachten, denn es war klar, dass sie ihn nicht getötet haben konnten, nicht nur, weil er noch immer kreischte, sondern auch und vor allem, weil es Schrotflinten waren; vom Wagen bis zum Fenster dürften es dreißig Meter gewesen sein, die Ladung konnte unmöglich nicht gestreut haben. Wie viele Kügelchen sollte er schon abbekommen haben? Na ja, eine blutverschmierte Visage wird er schon gehabt haben, aber er hatte den Befehl gegeben. Er war Vorsitzender der Camera del lavoro und auch der Sozialistischen Partei – mit dieser roten Schleife und weißen Hosen, und einer Art, wenn er redete, der wusste immer alles besser als alle anderen, sogar als der Pfarrer, und in der Schule schlug er die Kinder auch mit dem Rohrstock, gewisse Stockhiebe – und er musste es gewesen sein, der gesagt hatte: »Zündet den pagliaio an.«
    Nun waren meine Onkel sich keineswegs sicher, wer der Brandstifter war. Hätten sie es gewusst, wären sie direkt zu dem Betreffenden hingegangen. So aber hatten sie nur eine Idee, eine unbestimmte Idee, wer das womöglich gewesen sein könnte – sagen wir mal, eine Auswahl von Verdächtigen –, und um niemanden zu vernachlässigen, gingen sie zu allen. Zuerst auf die Piazza – wo die Camera del lavoro war –, und während sie mit ihrem Karren unter großem Gepolter über die Hauptstraße rumpelten, wie ein Zug über Pflaster, ratatatam ratatatam , liefen die Leute, von den Schüssen geweckt, ans Fenster. »Was ist denn los?«, fragten sie.
    Da

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